Der Kran von Lüneburg

Der Kran von Schifferstadt

 

Der Mythos des „Krans von Schifferstadt“ ist einem der bekanntesten Bilder der Olympischen Spiele verdankt: 1972 in München schulterte Wilfried Dietrich in einer der spektaku-lärsten Aktionen der Ringkampfgeschichte mittels Überwurf den 200 Kilo schweren Amerikaner Chris Taylor.

 

Dieser Bericht handelt von einem etwas größeren „Gewicht-Heber“, einem Kran, der ebenfalls beträchtliche Lasten handhaben konnte. Sein Können demonstrierte er 1840, als er eine Dampflokomotive von etwa 9,3 Tonnen hob, wofür die Kraft von 38 Männern erforderlich war, um das Laufrad zu drehen: Der Kran von Lüneburg.

 

Der Lüneburger Hafenkran, vor Ort als der Alte Kran bekannt, ist ein beeindruckendes Zeugnis des fleißigen Geistes von Lüneburg. Dieser historische Kran, der im Jahr 1797 errichtet wurde, ist ein faszinierendes Relikt der maritimen Technik und ein ikonisches Symbol der blühenden Vergangenheit der Stadt. Eingebettet im malerischen Wasserviertel bietet der Kran den Besuchern einen Einblick in den geschäftigen Handel und die Wirtschaft, die einst durch diese Region flossen.

▲ Im Inneren verfügt der Kran über einen komplexen Mechanismus, der von einem riesigen Doppellaufrad mit einem Durchmesser von fünf Metern angetrieben wird. Dieses Laufrad wurde einst durch menschliche Kraft betrieben, wobei Arbeiter im Inneren gingen, um die nötige Kraft zum Heben schwerer Lasten zu erzeugen.

"Der alte malerische Kran an der Lünertorstraße ist ein Meisterwerk mittelalterlicher Ingenieurkunst, seine äußeren Formen sind ohne Schmuckmittel ausgebildet, nur durch Zweckmäßigkeitsgründe bestimmt, und gerade deshalb wirken sie so künstlerisch überzeugend. Die Grundform ist ein Kreis, in dessen Mittelpunkt die senkrechte starke Welle sich dreht. Die horizontale Drehung wird durch zwei lange Stangen bewirkt. Ein Kranz, der durch die Außenwände und das flache Dach gestützt wird, bildet die obere Führung der Welle. Auf dem oberen Teil der Welle ist das Häuschen mit dem Kranarm aufgebaut Die Aufzugsvorrichtung besteht aus Ketten, die durch zwei große Treträder auf eine kleine horizontale Welle aufgewickelt werden. Die ganze Konstruktion ist an der senkrechten Welle befestigt Die Wände des Unterbaues und des Häuschens sind mit Brettern verschalt, die Dächer mit Kupfer gedeckt."

 

Aus: DIE KUNSTDENKMÄLER DER PROVINZ HANNOVER.
HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAGE DER PROVINZIAL- KOMMISSION ZUR ERFORSCHUNG UND ERHALTUNG DER DENKMÄLER IN DER PROVINZ HANNOVER

VON Dr. PHIL. CARL WOLFF, STADTBAÜBATH. 

Die Geschichte des Lüneburger Hafenkrans beginnt lange bevor die heutige Struktur errichtet wurde. Erstmals erwähnt wurde ein Kran an diesem Ort im Jahr 1330, wo er als wichtiges Werkzeug für die Lüneburger Saline diente. Salz, das weiße Gold des Mittelalters, war ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor für die Stadt, und der Kran spielte eine zentrale Rolle beim Verladen auf Schiffe, die in ferne Märkte segelten. Der Kran erleichterte auch das Entladen wichtiger Güter wie Brennholz, das für die Salzproduktion benötigt wurde.

 

Im Laufe der Jahrhunderte erfuhr der Kran mehrere Veränderungen, um sich den wandelnden Bedürfnissen der Stadt anzupassen. Die heutige Struktur wurde 1797 gebaut, nachdem ein Winterhochwasser 1795 schwere Schäden verursacht hatte. Entworfen vom Zimmermann G. P. Hintze und unter der Aufsicht des Landvermessers Kruse, wurde der Kran so wiederaufgebaut, dass er einer der leistungsstärksten in Norddeutschland zu jener Zeit war.

Der Kran steht nahe der Kaimauer im Binnenhafen im nördlichen Abschnitt des historischen Fischmarktes und wurde erstmals 1330 urkundlich erwähnt. Er bildete als stadteigner Handelsplatz eine funktionale Einheit mit dem gegenüberliegenden Kaufhaus, das 1302 erstmals als "Heringshaus" bezeichnet wurde und an dem Waren vom Schiff auf den Landverkehr umgeladen und zwischenzeitlich im Kaufhaus auf Stapel gelegt wurden. Die Einkünfte aus Kran und Kaufhaus gingen an den Rat der Stadt.

▲ Im Hintergrund Wohn- und Geschäftsgebäude. Am Werder liegt mitten in der Lüneburger Altstadt – direkt am Wasser, nur wenige Schritte vom Stintmarkt, dem Alten Kran und dem Alten Kaufhaus entfernt. Die Straße ist kurz, zentral und umgeben von Restaurants, Cafés und historischen Gebäuden.

▲ Bereits 1302 wurde an dieser Stelle ein „Häringshus“ erwähnt. 1742 erhielt das Gebäude seine barocke Fassade mit dem markanten Zwiebelturm – für Norddeutschland ungewöhnlich. 1959 brannte das Gebäude durch Brandstiftung fast vollständig ab; nur die barocke Fassade blieb erhalten. Der heutige Bau wurde später rekonstruiert und beherbergt heute u. a. ein Hotel.

 

Der Zimmermann G.P. Hintze erbaute unter der Leitung des Landbauverwalters Kruse im Jahre 1797 diesen Kran in Lüneburg. Vorgängerexemplare standen wohl schon seit 1330 an diesem Platz. Der letzte Vorgängerbau war durch ein Hochwasser, das die Kaufhausbrücke über der Illmenau zum Einsturz gebracht hatte, schwer beschädigt worden.

Der Kran ist aus tragendem Holzfachwerk gebaut, das als Wetterschutz mit einer Bretterverkleidung versehen wurde; die Dachflächen sind mit Kupferplatten gedeckt. Der Unterteil mit kreisförmigem Grundriss (Durchmesser: acht Meter) ist feststehend. Der Oberteil mit dem Kranausleger ist drehbar gelagert (ähnlich einer Holländerwindmühle). Vier Sandsteinblöcke von je etwa 200 kg dienen als Gegengewicht zur Last. Die Kettenwinde im Oberteil wird angetrieben über eine 9 m hohe Königswelle, diese wiederum durch ein doppeltes Tretrad mit 5 m Durchmesser im Unterteil.

 

In Stade wurde 1977 ein Nachbau am Hansehafen errichtet, der heute als Informationszentrum für Stader Stadtgeschichte dient; ein zweiter, funktionstüchtiger Nachbau befindet sich im ► Hebezeug-Museum Neuhaus in Witten in Nordrhein-Westfalen.

Das Hebezeug-Museum in Witten zeigt alte Maschinen zum Heben und Bewegen von Lasten. Es gehört dem Unternehmen J. D. Neuhaus. Im Jahre 1977 begann Johann Diederich Neuhaus aus der sechsten Generation des Familienunternehmens den Bau des Museums. Sowohl im eigenen Besitz befindliche historische Hebezeuge als auch entsprechende Stücke von Konkurrenzunternehmen und anderen Branchen werden ausgestellt, ergänzt durch Modelle und Informationstafeln. Der Windenschmiedekotten von 1745 ist in Stil und Funktion der Zeit um 1900 restauriert und eingerichtet worden. In der 1985 nachgebauten „Windenfabrik J. D. Neuhaus“ befindet sich ein alter Transmissions-Antrieb, der zwölf Maschinen (unter anderem Fräse, Hobel, Drehbank, Bandsäge) antreibt. In der Außenanlage befindet sich der funktionsfähige Nachbau des Alten Krans der Hansestadt Lüneburg aus dem Jahre 1336.

Mit dem Aufkommen der Eisenbahn in der Mitte des 19. Jahrhunderts verlor der Flussverkehr schnell an Bedeutung. Die Fertigstellung der Eisenbahnlinie Hamburg-Hannover im Jahr 1847 markierte einen Wandel der Handelsrouten, und der einst geschäftige Lüneburger Hafen erlebte einen Rückgang der Aktivitäten. Bis 1860 stellte der Kran seinen Betrieb ein, blieb jedoch technisch intakt.

 

Trotz seiner funktionalen Überholtheit wurde der Lüneburger Hafenkran als historisches Denkmal erhalten. Heute steht er nicht nur als Erinnerung an Lüneburgs reiche industrielle Vergangenheit, sondern auch als markantes architektonisches Merkmal, das weiterhin Besucher aus aller Welt anzieht.