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Wiesenkirche - St. Maria zur Wiese

Nach knapp sechsjähriger Renovierung zeigte sich im April 2014 ein Turm im neuen Glanz. 2023 wird am anderen Turm noch kräftig gewerkelt. Der letzte marode Stein aus Wiesenkirche wurde in diesem Jahr entfernt. Jetzt stehen aber noch viele Arbeiten an. Zahlreiche, neue millimetergenau gefertigte Steine aus härterem Oberkirchener Sandstein müssen die Steinmetze der Dombauhütte einbauen. Zwei Jahre werden die Arbeiten allein am Turm noch dauern. Anschließend müssen noch weitere Teile der Hallenkirche erneuert werden. So kann das Gerüst wohl erst im Herbst 2027 abgenommen werden. Es gibt eine ganze Generation Soester, die die Wiesenkirche noch nie ohne Gerüst gesehen haben. Die Restaurierung der Kirche wird dann voraussichtlich 30 Millionen Euro gekostet haben. Die Hauptlast trug zuletzt das Land Nordrhein-Westfalen.

Die evangelische Wiesenkirche oder Kirche St. Maria zur Wiese in Soest gilt als eine formvollendete westfälische Hallenkirche. Von annähernd quadratischem Grundriss geprägt, bietet ihr Inneres dem Betrachter von manchen Standpunkten aus betrachtet den Eindruck einer reinen Fensterfront, getragen von grazilem Bündelpfeilerwerk. Die hohen Fensterbahnen erreichen im Chor beinahe den Boden. Am Tag wirkt das Gotteshaus leicht und lichtdurchflutet. Drei nahezu gleich hohe, sehr flach gewölbte Schiffe geben dem Raum sein Ebenmaß. Die Baugeschichte erstreckt sich über Jahrhunderte. An Stelle des romanischen Vorgängerbaus wurde 1313 für die heutige Kirche der Grundstein gelegt. Die das Außenbild bestimmenden Doppeltürme wurden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet.

Die die Soester Stadtsilhouette prägenden Türme der Doppelturmfassade mit ihren durchbrochenen Helmen wurden im späten 19. Jahrhundert errichtet, nachdem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1840 die dafür notwendigen Gelder zur Verfügung gestellt hatte. Der tatsächliche Ausbau der Türme nach den Plänen des bereits 1853 verstorbenen August Soller begann jedoch erst 1861 und kam 1874/75 zum Abschluss. Sie erreichen eine Höhe von 75 Metern. Auch die Innenausstattung wurde bis 1882 restauriert und ergänzt, unter anderem durch Kunstwerke aus der abgebrochenen St.-Walburgis-Kirche.

Architektur und Baugeschichte

Der romanische Vorgängerbau der Kirche – im Grundriss ganz ähnlich der benachbarten Kirche St. Maria zur Höhe – stand der Überlieferung nach in einem sumpfigen Gebiet, das dann entwässert wurde. Das gotische, in dem südlich von Soest abgebauten Grünsandstein errichtete Kirchengebäude entstand auf einer Wiese: St. Maria in Pratis – St. Maria zur Wiese. Der Baubeginn ist aufgrund einer (nicht einwandfrei zu lesenden) Bauinschrift für das Jahr 1313 überliefert, als erster Baumeister ein Johannes Schendeler genannt. Nach seinem Entwurf konnte der Chorbau bis 1376 fertiggestellt werden. Als weiterer Baumeistername ist für 1392 der aus einer Lippstädter Ratsfamilie stammende Godert van Sunte Druden als „werckmeister tho der Wese“ überliefert. Der zweitürmige Westbau wurde einer Bauinschrift zufolge im Jahre 1421 durch Johannes Verlach begonnen, aber nach 1525 eingestellt, als unter dem letzten Baumeister, Porphyrius von Neuenkirchen, lediglich der nördliche Turmunterbau und das mittlere Portaljoch die Traufhöhe des Schiffs erreicht hatten. Dass auch schon zu diesem Zeitpunkt Turmaufbauten mit einem offenen Maßwerkhelm wie am Kölner Dom vorgesehen waren, belegt der als Turmmodell ausgebildete hölzerne Aufbau eines Sakramentshauses im Chor der Kirche. Die besondere architektonische Wirkung der Wiesenkirche beruht auf dem Abschluss der kapellenartig zentrierten Hauptapsis aus sieben Seiten eines Zehnecks sowie der eleganten Ausbildung der strebepfeilerlosen Nebenapsiden. 

 

Die Gestaltung findet sich am Chor der Petrikirche in Soest vorgebildet. Im Innern sind die außerordentlich schlanken und kämpferlos mit herabgeführten Birnstabrippen ausgebildeten Pfeiler raumbestimmend. Daraus resultiert, im Zusammenklang mit den wohlabgewogenen Proportionen und den fein gearbeiteten Architekturformen ein ungewöhnlich harmonischer, lichter Innenraum. 1933 wurden zeitbedingt die neugotischen Turmaufbauten in ihrem Ornament stilistisch bereinigt, die schweren Kriegsschäden bis 1950 beseitigt. In den durch starke Verwitterung des Grünsandsteins seit 1987 notwendig gewordenen Wiederherstellungsarbeiten an den Westtürmen wird der wesentlich witterungsbeständigere, aber farblich stark abweichende Oberkirchener Sandstein verwendet, zugleich aber werden auch die neugotischen Bauformen wieder rekonstruiert, um dem Bauwerk seine historische Gestalt wiederzugeben.

 

Die Kirche wurde – wie aus dem Namen abzuleiten ist – erbaut, um darin ein Marienbild aufzubewahren, das aus dem 12. Jahrhundert stammt und über viele Jahrhunderte Pilger aus nah und fern anzog. Dieses Marienbild wurde in der Reformationszeit, in der die Kirche evangelisch wurde, entfernt und laut einer Legende auf dem Dachboden der Kirche aufbewahrt. 1661 wurde es als Sühnegabe für einen Waldfrevel an die Nachbarstadt Werl übergeben, wo noch heute jährlich mehr als 200.000 Menschen zur Muttergottes von Werl pilgern. Drei Portale hat unsere Kirche, doch das schönste von ihnen ist das Südportal. Es ist der Stadt zugewandt und lädt zum Eintreten ein. Maria, die Namenspatronin unserer Kirche, empfängt die Besucher am Trennungspfeiler der Pforte. Auf dem Arm trägt sie das Jesuskind mit der Taube, auf ihrem Kopf eine Krone mit Lilien, dem Zeichen der Reinheit, und zwei Distelfinken, einem Passionssymbol.

 

Zum Ende des 14. Jahrhunderts wurde das Portal errichtet und mit ihm die gesamten vorhandenen Ausschmückungen: die Steinmetz-Arbeiten im gotischen Stil und auch die Portalfiguren. Nicht alle Arbeiten stammen aus einer Hand. Es waren verschiedene Künstler am Werk. Die Marienstatue ist eine der 60 Mariendarstellungen der Kirche. Sie wird die „Westfälische Madonna“ genannt und gehört vom Stil her zum Typ der „Schönen Madonna“. Mit einer Höhe von fast 1,80 m und früher farbigen Gewändern wird sie die Eintretenden mit ihrem sanften Lächeln beeindruckt und ihnen Mut und Zuversicht gegeben haben. Maria ist als Himmelskönigin dargestellt. Sie trägt ein enges Untergewand, einen losen, faltenreichen Überwurf und eine lange, verschlungene Perlenkette. Das Kind auf ihrem Arm ist ihr zugewandt. Die beiden Skulpturen auf der rechten und linken Seite haben nicht ganz ihre Größe. Die linke wird als Papst Gregor der Große angesehen, die rechte ist ein unbekannter Heiliger. Darüber befindet sich  links die hl. Katharina von Alexandrien und ihr gegenüber ein bärtiger Heiliger. Die Türen schmücken Mariensymbole: Lilien und Rosen. Wenn man durch dieses Südportal die Kirche betritt, hat man einen  beeindruckenden Diagonalblick auf die Chöre im Osten. Dreht man sich noch einmal um und schaut zurück, erblickt man im Portalfenster zweimal Maria: einmal mit dem Kind auf dem Arm und einmal als Pietá  mit ihrem toten Sohn. Dieses im Jahr 2002 eingebaute Fenster verbindet auf ganz besondere Weise das Äußere der Kirche mit ihrem Innenraum.

 
Westportal
 
 
Südportal
 

Figurengruppe am Südportal (Originale innerhalb der Kirche)

Das Südportal stammt aus dem ausgehenden 14. Jahrhundert. Die Figuren sind Repliken; die Originale – ebenfalls aus der Zeit um 1400 – stehen im Inneren der Kirche. In der Mitte steht die zumindest für Westfalen legendäre Plastik der sogenannten Westfälischen Madonna. Tatsächlich ist sie möglicherweise rheinischen Ursprungs – stilistische Ähnlichkeiten zur Bildhauerei der Kölner Kathedralschule sind nicht zu übersehen.

Papst Gregor der Große

 „Westfälische Madonna“ 

unbekannter Heiliger

Fenster der Wiesenkirche

 
 

Gotische Kirchen sind Fensterkirchen. In der Romanik bestimmen die Mauern den Bau und den Raum: „Ein feste Burg ist unser Gott“. In der Gotik weichen große Teile der Wände den Fensterflächen. Der Raum reckt und streckt sich in die Weite, vor allem in die Höhe. Das wird besonders durch die Fenster betont. Mit ihren Spitzbögen erscheinen sie wie Lichtpfeile, die nach oben weisen, als seien sie gebaute Liturgie: „Erhebet eure Herzen!“

Allerdings ist diese Gotik nicht überall so vollendet gelungen wie in der Wiesenkirche mit ihren 33 Fenstern: 5 im Hauptchor, 2 im Nordchor, 3 im Südchor, je 4 in der Nord- und Südwand, je 3 in der Tauf- und der Gedächtniskapelle, darüber auf den Emporen auch jeweils 3, dazwischen das große Westfenster, dazu 2 in der Sakristei.

Die heutige Verglasung  stammt aus sehr verschiedenen Zeiten. Die Fenster in den Chören entstanden „Hand in Hand“ mit dem Aufmauern der Wände. Neben der Bauhütte wurde offenbar bald nach der Grundsteinlegung im Jahre 1313 auch eine Werkstatt für Glasmalerei eingerichtet; denn nach neuesten Erkenntnissen sind die Hauptchorfenster bereits in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts zu datieren. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Fenster einer groß angelegten Restaurierung unterzogen, die von Fachleuten hoch gelobt wird. Zu Beginn des 2. Weltkriegs (bereits 1939) waren die mittelalterlichen figürlichen Glasmalereien zusammen mit allen beweglichen Kunstwerken ausgelagert worden. Sie haben dadurch die Bombardierung der Kirche 1944 weitgehend überlebt und konnten wieder eingebaut und, wo nötig, ergänzt werden. Daher ist heute die Feststellung möglich und unbestritten: „Die Hauptchorfenster der Wiesenkirche bilden den größten erhaltenen Zyklus mittelalterlicher Glasmalerei in Westfalen“ (Viktoria Lukas).

Die Fenster im Nord- und Südchor werden dem Anfang des 15. Jahrhunderts zugeordnet, die in der Nordwand der Zeit um 1500. Das berühmteste von ihnen ist das  „Westfälische Abendmahl“. Die beiden großen Fenster der Nordwand, das Patroklus- und das Wurzel-Jesse-Fenster, zeigen in kriegsbedingten Ergänzungen aus den 60er Jahren bereits eine Handschrift, die dann eine ganze Generation später erneut und in überraschend großem Umfang zum Zuge kommen sollte: die des Glasmalers Prof. Hans Gottfried von Stockhausen.

Marienfenster (15. Jahrhundert)

▲ Kurios in dieser Kirche ist das "Westfälische Abendmahl" – ein berühmtes Glasfenster aus dem 16. Jh., dessen Künstler unbekannt ist und auf dem Jesus mit seinen Jüngern beim Abendmahl mit westfälischen Speisen – wie Schweinskopf, Schinken, Bier und Schwarzbrot abgebildet ist.

Der Annenaltar

Der Annen- oder Sippenaltar des „Meisters von 1473“ zeigt eine Darstellung der heiligen Familie mit der Gruppe der „Anna Selbdritt“ als Mittelpunkt. Anna thront unter einem Baldachin mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind, umgeben von ihren drei nacheinander verstorbenen Ehemännern, ihren Töchtern, Schwiegersöhnen und Enkelkindern. Die sechs kleinen Bilder links erzählen die Legende von Anna und Joachim, die sechs Bilder rechts die biblische Marienüberlieferung. Die Darstellung beginnt mit der Abweisung des Opfers Joachims durch den Priester, da die Ehe kinderlos war. Es folgen der Aufenthalt Joachims bei seinen Hirten und Herden, wo der Engel ihm die Empfängnis Annas verkündet; Anna und Joachim vor der goldenen Pforte in Jerusalem; die Geburt Marias; der Tempelgang Marias, um sich ganz Gott zu weihen; schließlich die Vermählung Marias mit Joseph. Der rechte Teil  des Altars zeigt die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria, die Begegnung Marias mit Elisabeth („Heimsuchung“), die Geburt Jesu, die Anbetung der hl. drei Könige, die Darbringung Jesu im Tempel und das Pfingstereignis mit Maria im Kreis der Apostel. Dieser Flügelaltar steht auf einer etwa 100 Jahre älteren Predella.  Auf rotem Grund mit goldenen Sternen sind drei biblische Szenen zu sehen: Christus als Gärtner mit Maria Magdalena, Anbetung der hl. drei Könige und Christus mit dem ungläubigen Thomas.

Brabanter Schnitzaltar

Unter dem östlichen Fenster der Nordwand steht ein geschnitzter Altar aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, der vermutlich in der Provinz Brabant, möglicherweise in Antwerpen, entstanden ist. Die beiden Seitenflügel sind nicht mehr erhalten. Stilistisch ist er ein Werk des Übergangs von der Spätgotik zur Renaissance. Im unteren Feld sind vier Darstellungen aus der Kindheit Jesu zu sehen: die Ankündigung der Geburt durch den Erzengel Gabriel, die Begegnung von Maria und Elisabeth („Heimsuchung“), die Geburt Jesu und die Anbetung der Könige.Das wesentlich größere obere Feld zeigt Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu: links das Händewaschen des Pilatus und die Kreuztragung, in der Mitte die Kreuzigung, rechts die Kreuzabnahme und Grablegung. Auffallend sind die fast expressionistisch anmutenden Gestaltungen der Flügel des Gabriel und des Leichnams Jesu bei der Grablegung. 

Nach neueren Forschungsergebnissen hat der Bildschnitzer, der ja in erster Linie Handwerker war, sein Werk nach Kupferstichen und Holzschnitten berühmter Zeitgenossen wie Schongauer, Cranach und Dürer geschaffen.

Der Hauptaltar

▲ Der Flügelaltar im Hauptchor stammt aus der Schule des Meisters Conrad von Soest und ist  um 1420 entstanden. Durch seine zarten Farbtöne rosa, golden und grün fügt er sich harmonisch in die Farbgebung der ihn umgebenden Chorfenster ein. Er wird Jacobialtar genannt, weil  auf seiner Rückseite der Apostel Jacobus mit Wanderstab, Hut und Muschel dargestellt ist. Auf der mittleren Tafel sehen wir eine figurenreiche Darstellung der Kreuzigung Jesu: unter dem Kreuz die trauernden Frauen, im Hintergrund links jüdische Priester, rechts römische Soldaten. Ein römischer Hauptmann weist auf den Gekreuzigten und bekennt: „ Dieser ist wahrhaftig Gottes Sohn gewesen“. So lautet die Inschrift auf dem Spruchband. Der goldene Hintergrund, der – umrahmt von den Zinnen Jerusalems – fast ein Drittel des Bildes einnimmt, weist bereits auf die Auferstehung Jesu hin. Der linke Flügel stellt die Anbetung der „Weisen aus dem Morgenland“ dar. Die kostbaren farbigen Gewänder und die Kronen weisen sie als Könige aus, die dem neugeborenen „König der Könige“ huldigen. Maria sitzt, den Jesusknaben auf dem Schoß, in schlichter Kleidung auf einem Sessel. Links hinter ihr steht Joseph in demütiger Haltung. Auf dem rechten Flügel ist die Sterbestunde Marias, der „Marientod“, dargestellt. Die Apostel sind aus allen Himmelsrichtungen herbeigeeilt, um ihr nahe zu sein. Sie sind lesend und betend um das Sterbebett versammelt. Maria liegt erhöht auf einem Bett mit goldener Decke. Engel  tragen ihre Seele zu Gottvater.  Biblische und legendäre Überlieferung vieler Jahrhunderte sind in diesem dreiteiligen Andachtsbild zu einer Einheit verschmolzen.

Der Aldegreveraltar

Der Marienaltar im südlichen Seitenchor, wahrscheinlich um 1525 entstanden, ist kunstgeschichtlich besonders bedeutsam. Während der geschnitzte Mittelschrein noch ganz in der Spätgotik beheimatet ist, sind die beiden bemalten Seitenflügel schon deutlich vom diesseitigen Geist der Renaissance geprägt, ebenso die kleinformatigen Bilder unten auf der Predella. Die beiden Innenseiten der Seitenflügel stammen von dem berühmten Soester Kupferstecher Heinrich Aldegrever. Sie sind ein Frühwerk des Meisters. Die zentrale Darstellung des gesamten Altars ist die „Strahlenmadonna“: Maria im goldenen Gewand als Himmelskönigin mit dem Jesusknaben, umgeben von einem mandelförmigen Strahlenkranz („Mandorla“) mit goldenen Rosen, zu ihren Füßen die Mondsichel. Links und rechts von ihr stehen zwei Heilige, die im bäuerlich geprägten Westfalen besondere Verehrung genossen: Antonius der Einsiedler, unter seinen Füßen besiegte Dämonen, und die Märtyrerin Agatha aus Catania/ Sizilien. Die beiden Seitenflügel, prunkvolle Renaissance-Malerei, zeigen die Geburt Jesu und die Anbetung der Könige. Wir blicken in einen reich ausgestatteten Palast, nicht in einen ärmlichen Stall. Maria, in ein kostbares weites Gewand gekleidet, ist eine wohlhabende Bürgergattin, nicht mehr „des Herrn Magd“. Auf dem rechten Flügel ist die Freude des Malers an der prachtvollen Kleidung und dem exotischen Aussehen der Könige besonders gut erkennbar. In leuchtenden Farben zeigen diese Bilder eine recht diesseitige Freude am Detail und am Ornament. Die mittelalterliche Symbolsprache der Bilder ist für den Künstler bereits Vergangenheit.

Die Taufkapelle

Unter der südwestlichen Empore befindet sich die Taufkapelle. In ihrer Mitte steht ein schlichter achteckiger Taufstein aus dem 14. Jahrhundert mit einer bronzenen Schale, die der Bildhauer Otto Coester 1926 gestaltet hat. An der Westwand hängt ein achtteiliger Taufbehang, der 1926 von Frauen der Wiesegemeinde nach Entwürfen der Paramentenkünstlerin und Glasmalerin Elisabeth Coester gestickt worden ist und ursprünglich den Taufstein umschloss. Auf ihm hat der Taufbefehl Jesu „Gehet hin in alle Welt ...“ mit dem Bekenntnis zu dem dreieinigen Gott eine sehr persönliche künstlerische Gestaltung gefunden. Die neuen Glasfenster (2003) tauchen die Taufkapelle entsprechend den Lichtverhältnissen in helles oder tiefes Blau, die Farbe des Wassers.

Über dem Eingang zur Kapelle erhebt sich auf einem Holzbalken eine geschnitzte farbige Kreuzigungsgruppe aus dem 15. Jahrhundert. Unter dem Kreuz stehen trauernd Maria und Johannes. An den Balkenenden befinden sich die Symbole der vier Evangelisten: Engel, Löwe, Stier und Adler. Die Kunstwerke der Taufkapelle deuten in ihrem Bildgehalt auf unterschiedliche Weise das Sakrament der Taufe und entfalten seine Bedeutung: wir sind erlöst durch den Kreuzestod Christi, wiedergeboren durch das Wasser des Lebens und gefestigt durch den Glauben an den dreieinigen Gott.

 
 

Epitaphien

LONNER-EPITAPH

Johannes Lonner war Pfarrer der Soester St. Georgskirche und lebte von 1576-1613. Sein Epitaph wurde, wie das des Bürgermeisters Michels, wegen des Abbruchs der St. Georgskirche in die Wiesenkirche überführt. In der Kreuzigungsszene hat sich der Auftraggeber in einem Porträt (heute stark beschädigt) darstellen lassen. Die Tafel wurde 1964 restauriert, seitdem ist die Inschrift wieder gut lesbar. Übersetzt heißt sie: »Denkmal des ehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Johannes Lonner, des hochwürdigen Seniors des rühmlichen Presbyteriums zu Soest und getreuen Bischofs dieser Georgsgemeinde 39 Jahre hindurch, der im Jahre Christi 1613, 69 Jahre alt, am 29.November abends zwischen sechs und sieben Uhr sanft seine Seele in Christi Hände zurücklegte.«

EPITAPH DES BÜRGERMEISTERS MICHELS

Zwischen dem östlichsten Südfenster und dem folgenden Pfeiler hängt das Epitaph des Bürgermeisters Gosuwin Michels († 1572) und seiner zweiten Ehefrau Anna Klocke († 1608). Das Bild wurde aus der St. Georgskirche in die Wiesenkirche überführt. Dargestellt ist die Auferstehung Christi von dem barocken Soester Maler Matthias Knipping, der im Jahr 1600 das Soester Bürgerrecht erwarb und bis 1620 nachweisbar ist. Das Bild ist durch einen aufwändigen barocken Rahmen hervorgehoben. Seitlich stehen korinthische Säulen auf hohen Podesten, worauf die Wappen der Familien des Bürgermeisters und seiner Frau angebracht sind. Über dem Gemälde ist der Rahmen mehrfach profiliert und mit einem vergoldeten Zahnschnitt-Motiv versehen. Im Auszug erhebt sich das Brustbild des segnenden Gottvaters mit der Taube des Heiligen Geistes. Die Tafel wurde 1966 restauriert. Goswin Michels gehörte zu einer alteingesessenen, 1934 erloschenen Soester Familie, die insgesamt sieben Bürgermeister gestellt hat. Über dem Gemälde ist die Inschrift zu lesen: »Den Seelen, die sich des Himmels erfreuen, den Leibern, die mit Macht wieder auferstehen werden, des hochangesehenen Herrn Gosuwin Michels, der, seinerzeit siebenmal zum Bürgermeister der Stadt Soest bestimmt, im Jahre Christi 1572 am 6. November, fromm entschlief, und seiner Gattin Anna Klocke, der Frauen Stern, der Witwen Rose, die im Jahre 1608 am 6. Juni sanft in den Himmel einging.«

Gedächtniskapelle

"Memento Mori - Gedenke des Todes": Dazu bekommt der Besucher der Wiesenkirche Gelegenheit in der Gedächtniskapelle unter der Orgelempore. Sie wurde 1963 eingerichtet und mit sakralen Kunstwerken ausgestattet. Eine Kirchenbank lädt zum Gebet und zur Besinnung ein. Hier steht ein Tabernakel aus dem frühen 16. Jahrhundert, gefertigt aus Baumberger Sandstein in feinster gotischer Bauart. Im Jahr 1822 aus der Klosterkirche St. Walburgis zu Soest in die Wiesen-kirche gelangt, enthält es heute nach der Beseitigung von Kriegsschäden ein Gedächtnisbuch mit den Namen der Opfer beider Weltkriege. In der Nische oberhalb steht ein gotischer Engel. Weitere historische Kunstgegenstände sind die Erinnerungstafeln an Soester Patrizierfamilien, die aus der St.  Georgskirche in die Wiesenkirche übernommen wurden. Ebenso drei neugotische Figuren aus Sandstein vom früheren Hochaltar: Christus, umgeben von Paulus und Johannes dem Täufer. Auch die Moderne ist durch einen Standleuchter aus dem Jahr 1998 vertreten. Er bietet dem Besucher die Möglichkeit, eine Kerze anzuzünden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die farbigen Fenster der Kapelle von Prof. Hans Gottfried von Stockhausen aus dem Jahr 2003. Sie enthalten in Bildern und  Bibelworten Glaubensaussagen über Tod und Auferstehung, Leid und Trost.

 
 
Spätgotisches Sakramentshäuschen
Reste der Malerei des Jüngsten Gerichtes aus der 1. Hälfte des 16. Jhs. sind im südlichen Langhaus vorhanden.
 
 
 
Die Wiesenkirche besitzt auf der Nord-West-Empore eine zweimanualige Orgel mit 32 Registern der Firma Emil Hammer Hannover (1957).
Statuen: Originale vom Südportal

KREUZIGUNGSRETABEL

Das dreiteilige Tafelbild wurde 1858 durch den preußischen Oberkonservator Ferdinand von Quast hinter anderen Altären in der Soester Wiesenkirche aufgefunden und 1862 in das damalige Berliner Königliche Museum verbracht und gehört heute zum Bestand des Burghofmuseums in Soest. Es ist nicht eindeutig zu klären, für welche Soester Kirche das Bild gemalt wurde. Es könnte für den Vorgängerbau der Wiesenkirche oder auch für die Hohnekirche (St. Maria zur Höhe, 1180-1220 erbaut) geschaffen worden sein. Das Kreuzigungsretabel ist etwa im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts entstanden und gehört zu den ältesten seiner Art in Deutschland. Die zwei Meter breite Eichenholztafel ist mit Pergament bezogen. Auf der Kreideschicht wurde die Vergoldung der Fläche und dann die Malerei mit einer in Harz gelösten Farbe aufgetragen.

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