Herdecke: Friedhof an der Zeppelinstraße
Der Friedhof an der Zeppelinstraße wurde am 5. August 1821 eingeweiht. Die quadratische Anlage des Friedhofs mit einer Hauptallee und davon abzweigenden Wegen in einer Kreuzform - das ist die klassische Friedhofsarchitektur des 19. Jahrhunderts. Bis zur Einrichtung des neuen Friedhofs wurden die Toten auf dem Friedhof an der Stiftskirche beerdigt, die letzte Bestattung im Inneren der Stiftskirche fand in den 70-er Jahren des 18. Jahrhunderts statt. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es dann üblich, die Bestattung der Toten aus den Zentren der Städte an den Ortsrand zu verlagern - so auch in Herdecke. Das wurde von den Herdecker Bürgern nicht mit viel Gegenliebe aufgefasst und traf auf erheblichen Widerstand. Die Einrichtung eines Friedhofes weit ab des Stadtkerns hieß, die Verstorbenen außerhalb des örtlichen Lebensraumes, sozusagen in der Anonymität, zu bestatten. In der Tat, denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts war dort, wo der Friedhof angelegt werden sollte, nichts außer Feldern und Obstgärten. Ein Buch Herdecker Familiengeschichte liegt offen vor dem Betrachter bei einem Rundgang über den südlichen Teil des Friedhofs an der Zeppelinstraße. Schritt für Schritt werden einige Kapitel der Zeitgeschichte geöffnet. Dort, wo der Friedhof 1821 eingeweiht wurde, war damals nichts außer Feldern und Obstgärten. Ein solches Obstfeld wurde 1845 von der Stadt aufgekauft, um es als weitere Grabfläche auszuweisen.
Die Grabstätte der Habigs, die bis Ende der 60er Jahre ein europaweit bedeutendes Textilunternehmen auf dem späteren Westfalia-Gelände führten, gehört zu den ältesten Flächen auf dem südlichsten Teil des Friedhofs. Der Rundgang führt weiter vorbei an bekannten und unbekannten Namen, Apothekern, Drogeristen, Inhabern eines Bekleidungsgeschäftes, aber immer spiegeln sie die historischen Schicksale der Menschen („Geboren im Osten, vermisst im Osten“).
▲ Wir bleiben vor der Grabstätte der Familie Grave stehen. Lokalhistorisch von absoluter Bedeutung. Die Familie hat im 18. und 19. Jahrhundert einige Presbyter gestellt. Das ist es allerdings nicht unbedingt, was den Namen so bekannt macht: Hier wurde Ferdinand Grave bestattet, der bis in die 1920er Jahre in der Stadtbrauerei sein Bier braute. Doch dann erlag er der übermächtigen Dortmunder Konkurrenz, wie es in der Chronik „250 Jahre Stadt Herdecke“ heißt. Vom Bier zum Schnapssind es nur einige Meter weiter: Hier liegt Eduard Steinbrinck, der Gründer der Schnapsbrennerei auf dem Stiftsgelände. Noch einmal zurück zu den Graves: Hier sieht man den Grabstein von Wilhelm Mellinghaus, Bürgermeister von 1877-1898.Er warmit den Graves verwandt.
▲ Weiter geht es zu dem Grabmal der Kaufmannsfamilie Böllhoff, deren Wohn- und Geschäftshaus an der Wetterstraße 12 am 13. April 1945 durch einen Tieffliegerangriff zerstört wurde. Maria, die Ehefrau des Firmeninhabers, starb bei diesem Angriff.
Den Opfern der Zwangsarbeit bei Herdecker Firmen, die während der Nazi-Diktatur unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten und zu Tode kamen, wird seit 1989, dem 250-jährigen Stadtjubiläum, mit einer Gedenktafel gedacht.
In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das jüdische Gräberfeld. Der alte jüdische Friedhof an der Bahnhofstraße wurde 1938 brutal zerstört. Es ist ein Wunder, dass diese Stelle hier, 1890/91 eingerichtet, das Dritte Reich überstanden hat. Umso wichtiger ist es, dieses Feld zu erhalten. Die Inschriften sind teils in Deutsch, teils in Hebräisch. Segnende Hände zeigen, dass der Verstorbene aus einer Priesterfamilie kam.
Auch wenn bei unserem Rundgang viel Geschichte zum Vorschein kommt, einiges ist bereits unwiederbringlich verloren. Leider sind viele alte Grabsteine abgeräumt und zerstört worden, die aus historischen Gründen besser bewahrt worden wären. Dennoch sind genügend historische Kapitel übrig, in denen es sich zu lesen lohnt.
Ottilie Heider geb. Rosenkranz
1853-1935
Maria Heider geb. Kötter
1892-1984
Gustav Heider
1862-1935
Gustav Heider
1889-1965
▲ Am 24.5.1851 heiratet Caspar Wilhelm BLOTHE, Wollentuchmacher, 31 J., Sohn des Caspar Diedrich Blothe, Tuchmacher, und der Anna Sibylla KÖNEMANN seine Braut Catharina Sophia Friederica LEGE, 25 J., Tochter des Schreinermeisters Diedrich Gottfried Lege aus Westhofen und der Henrina KÜPPER aus Gahrenfeld Gemeinde Westhofen.
Der deutsche Organist, Komponist und Pastor August Witteborg wurde in Soest als Sohn des Webermeisters Johannes Witteborg und seiner Frau Sophie geboren. Er war offensichtlich musikalisch begabt und suchte auch seinen Lebensunterhalt in der Musik. Er besuchte die Präparandenanstalt (Vorbereitungsinstitut) in Soest, dann das örtliche Lehrerseminar. Am Ende seiner Ausbildung studierte er am Institut für Kirchenmusik in Berlin. Nach seiner Ausbildung begann er seine berufliche Laufbahn als Lehrer in Hagen. Im Jahr 1902, als er über 50 Jahre alt war, kam August Witteborg an das Evangelische Lehrerseminar in Herdecke. Er zog mit seiner Frau Margarete, geborene Ebeling (geb. 1856) aus Franzburg in Pommern, ihrer Tochter Else (geb. 1887) und ihren Söhnen Paul (geb. 1894) und Erich (geb. 1889) in eine Wohnung in der Wetterstraße. Neben seiner Tätigkeit als Musiklehrer komponierte er auch Kirchenmusik. Während seiner Zeit in Sagan (Schlesien) schuf er das Choralbuch zum Gesangbuch für evangelische Gemeinden Schlesiens für die Orgel oder das Harmonium oder Pianoforte, das in mehreren Auflagen erschien. Zu den bekanntesten Chorälen, die er komponierte, gehört der Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“.
August Witteborg organisierte auch große Musikfestivals in ganz Deutschland, die er angeblich in Herdecke vorbereitet hatte. Dies wiederum wird durch sein Engagement für die Opfer der Roburit-Katastrophe in Witten absolut glaubwürdig. Er arbeitete zehn Jahre lang am Herdecker Lehrerseminar. Er starb am 27. März 1912 im Alter von 61 Jahren.