Das "Salzige Mädchen" vom Stintmarkt

Das für die Konservierung von Lebensmitteln wichtige Salz hat Lüneburg einst reich gemacht. Von der örtlichen Saline wurde es vor allem nach Lübeck transportiert, um von dort aus im Ostseeraum gehandelt zu werden. Bis zum Bau der Eisenbahnen konnten große Mengen nur auf dem Wasserweg befördert werden. Deshalb ging 1398 zwischen Lübeck und Lauenburg der Stecknitzkanal in Betrieb, den die Schiffe aus Lüneburg über Ilmenau und Elbe erreichten. Seit 1392 sorgte das Stapelrecht zusätzlich für einen einträglichen Handel: Denn alle Fernverkehrswege im Umkreis mussten durch Lüneburg geführt werden.

Am Stintmarkt, dem historischen Hafen von Lüneburg, liegen heute Nachbauten traditioneller Flussschiffe, die an die Zeit erinnern, als die Stadt ein bedeutendes Zentrum des Salzhandels war. Zur Blütezeit der Saline im 15., 16. und 17. Jahrhundert wurden so allein nach Lübeck jährlich mehr als 10.000 t Salz geschifft. Der Wasserweg war ungefährlicher und billiger als die Landroute, die heute als „Alte Salzstraße“ bekannt ist.

 

Der Ilmenau-Ewer und der Stecknitz-Prahm sind originalgetreue Nachbildungen der Schiffe, mit denen das Lüneburger Salz in die Seehäfen Lübeck und Hamburg transportiert wurde. Die fahrtüchtigen Schiffe werden betreut und erhalten durch die Ewer-Mannschaft des Förderkreises Industriedenkmal Saline Lüneburg e.V.

 

Der Salzewer war das Arbeitspferd der Ilmenau-Schifffahrt. Die hier zu sehende "De Sulte" ist ein originalgetreuer Nachbau eines solchen Ewers. Der Name „De Sulte“ stammt aus dem Niederdeutschen (Plattdeutsch). Er bedeutet wörtlich: „Die Sulte“ = „die Salzige“ / „die Salzfracht“ / „das Salzschiff“. Diese flachgehenden Schiffe transportierten bis zu 20 Tonnen Salz von der Lüneburger Saline flussabwärts zur Elbe. Der Ewer bediente lediglich die Route Lüneburg-Lauenburg. Weiter kam das Schiff nicht, denn für den Stecknitz-Kanal nach Lübeck war der Ewer mit seinen 4,50 Metern Breite zu groß. Der Ewer „De Sulte“ wurde nach historischen Vorbildern aus dem 15. Jahrhundert von jungen Erwachsenen 2009 ohne Berufsabschluss gebaut und liegt seitdem fahrtüchtig im Lüneburger Hafen.  Er wurde originalgetreu in Klinkerbauweise gezimmert und hat eine Länge von knapp 15 Meter. Als Vorlage dienten historische Abbildungen und Beschreibungen aus dem Lüneburger Stadtarchiv und Modelle des 17. und 18. Jahrhunderts aus verschiedenen Museen und der Lüneburger Nicolaikirche.

2011 bekam der alte Hafen der Salzstadt ein zweites historisches Schiff, die „Solten Deern“, das „Salzige Mädchen“. Nach dem Ewer baute die Salzwerkstadt einen sogenannten Prahm in ihrer Werft neben dem Salzmuseum. Vom Ende des 14. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts transportierte der Schiffstyp "Prahm" das Lüneburger Salz von Lauenburg nach Lübeck. Wieder arbeiteten beim Nachbau Langzeitarbeitslose, dieses Mal aber ältere Erwachsene. Der Bau startete 2010 mit der offiziellen Kiel-Legung des Schiffes.

 

Der Stecknitzprahm, der neben dem Ewer liegt, ist schlichter als dieser und hat bei einer Größe ca. 12 x 2,5 m einen Tiefgang von etwa 40 cm. Er konnte circa 7,5 Tonnen Salz transportieren. Das Schiff ähnelt einem Floß mit Seitenwänden. Die Wände sind nicht ausladend konstruiert wie beim Ewer, sondern gerade. Vorne und hinten läuft das sogenannte Plattboden-Schiff spitz zu. Weil der Prahm wesentlich einfacher gestaltet ist als der Ewer, benötigten die rund 20 Teilnehmer der Salzwerkstadt nur ein Jahr für den Bau. Für den Ewer hatten die jungen Erwachsenen doppelt so lange gebraucht.

 

Gemeinsames gesellschaftliches Engagement hat eine lange Tradition in Lüneburg. Der Salzprahm wie der Salzewer sind schöne Beispiele dafür, dass diese Tradition in Lüneburg weiterlebt.