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Haus Laer

Gertrud Hahn; (Aus Ina Seidel "Das unverwesliche Erbe".)

Bochumer Zeitpunkte, 7. Heimatbuch 1958

Lahari, schon 890 im ältesten Heberegister der Abtei Werden genannt, bedeutet Weideplatz. Der Name ändert sich im Laufe der Jahrhunderte. Lahari, Lore, Lare, Laer. Es müsste Laar gesprochen werden, denn das "e" ist ein Dehnungs-E. Aber die gewohnte Aussprache wird nicht auszurotten sein.

Lahari gehörte zur Grafschaft Bochum. Die Grafschaft Bochum hatte Friedrich von Isenburg als Lehnsträger der Kölner Erzbischöfe inne. Durch seine Hand - es handelte sich um Machtkämpfe innerhalb des Hauses Berg, das sich in Mark, Isenburg-Altena und Berg gliederte, - fiel der Kölner Erzbischof Engelbert von Berg bei Gevelsberg. Sein Gegner Friedrich von Altena-Isenberg wurde 1226 aufs Rad geflochten. Der Vetter Graf Adolf v. d. Mark hatte nichts Eiligeres zu tun, als dem Sohne Friedrichs, der sich, um sich von dem befleckten Namen zu befreien, nach seiner Mutter Graf v. Limburg nannte, den Besitz streitig zu machen. 1243 einigen sich die beiden Vettern über die Grafschaft Bochum. Sie wird geteilt. Graf Adolf v. d. Mark erhält mit seiner Hälfte unter anderen Gütern auch das "domus Lare" und gibt es im gleichen Vertrage an Henrich von Vittinghoven als Lehen weiter. In dieser nur in Abschrift erhaltenen Urkunde wird zum ersten Male ein "domus Lare" genannt. Es verschwindet dann - anscheinend - aus allen Urkunden, um erst wieder 1493 aufzutauchen.

Dietrich von Steinen, Pfarrer und Historiker, sagt in seiner Westf. Geschichte (1757) von Haus Laer: "Ein wohlgelegener Rittersitz neben der Bauerschaft gleichen Namens, woselbst auch eine schöne Kornmühle befindlich. Welches die Vormaligen Besitzer gewesen, davon habe ich keine Nachricht im Jahre 1243 hat Henrich v. Vittinghoven, Ritter, als Lehnträger vom Grafen Adolf v. d. Mark das Haus besessen, jetzo gehöret es denen von Leyte, daß diese eines alten ritterbürtigen Stammes seyn, ist bekannt, ich kann davon aber nur folgendes wenige liefern." Bei Darpe Geschichte der Stadt Bochum S. 97 heißt es: "1493 saß Dietrich v. d. Leithe auf Laer." Die mündliche Überlieferung - und sie enthält meist viel Richtiges - gibt für das heutige Herrenhaus Laer ein Alter von 500 Jahren an. Was aber geschah von 1243, der ersten Erwähnung des domus Lare, bis 1493? Es handelt sich immerhin um 250 Jahre. Wie ist das scheinbare Fehlen aller Daseinsbeweise in diesem Zeitraum zuerk1ären? Nun fand sich vor einigen Jahren beim Ordnen des Archivs von Haus Laer eine Akte vom Jahre 1701 "Streit um die Kontributionspflicht - die adeligen Güter waren grundsteuerfrei - des Hans-Wennemargutes zu Laer" Bei der Vernehmung von Bauern kommt die Sprache vom Hans-Wennemargut auf das Luckinggut oder Schulte zu Laer, ganz unberechtigterweise wie vom "baculo ad angulum", so meint ärgerlich der Herr v. d. Leithe. Er sagt, Luckinggut sei immer ein Teil der freien adeligen Baut Laer gewesen, also nicht abgabepflichtig. Die Lage des Luckinggutes wird von einem der bäuerlichen Zeugen folgendermaßen gekennzeichnet: das Haus dieses Gutes stehe vor dem Platz des Hauses Laer bei Tymanns Haus und werde von Herrn v. d. L. als Scheuer benutzt Wo das Land dazu geblieben sei, wisse er nicht.

Es wäre nun durchaus möglich, dass Dietrich v. d. Leithen, der erste dieses Namens auf Laer, Ende des 15. Jahrhunderts aus den Ländereien des Luckinghofes und anderen dazugekauften Landstrichen das Rittergut Laer neu gegründet, und das Haus, das ja wohl auf jeden Fall erst 500 Jahre alt ist gebaut hätte. Das würde die vorübergehende Ansicht von Dr. Höfken, Haus Laer sei nicht identisch mit dem domus Lare von 1243, stützen, und das bisherige Fehlen aller Nachrichten durch zweieinhalb Jahrhunderte erklären.

Da aber entdeckte Dr. Höfken vor 2 Jahren im Staatsarchiv Düsseldorf folgende Eintragung (in einem um 1520 angelegten Verzeichnis der Limburger Lehngüter): "Die hoff to Luckynck, dat borchhuys myt dey katen gelegen toe Laer myt mer andere toebehorynge." (1374). Und an einer anderen Stelle folgendes Gesuch um Belehnung mit Hof Lucking und Haus Laer (am 14. 12. 1413): "leyve genedige Joncker Wilhelm greve toe Lymborch und her toe Broeke. Ich frederich van Loere byd U toe weten dat ich U upgelaten heb und uplaete in desem brieve den hoff to lückynck und dat borch huyss (Burghaus) mit den katen gelegen toe Loere in dem kerspel (Kirchspiel) van Boechem und myt alle anderen toebehoeren in betreff Lambertes van Herten und byd Uleyve juncker um dat gy Lambert belenen myt der hoven und dem borchhuis und katen und myt alle anderen des hoves toebehoer in all der wys als ich dat van U to leyn went up disse tyt gehad habbe." 1413 hat also Frederik v. Lore als Lehnsmann des Grafen von Limburg-Broich Haus Laer besessen und bittet nun von sich aus, den Lambert v. Herten damit belehnen zu dürfen. Dieser stellte dann am gleichen Tage seinen Reversbrief überdie Belehnung mit dem Burghaus Laer und Zubehör aus. Aus diesen Schriftstücken ist zu entnehmen, daß das domus Lare der Urkunde von 1243 inzwischen von der märkischen an die Limburger Linie gelangt war. Das muß kurz nach 1243 geschehen sein, denn schon 1259 ist ein Vertreter der Adelsfamilie, die auf Haus Laer saß; Ministetiale des Limburger Grafen, der für Hugo von Lore bezeugt daß er seinen Hof in Lore (domum suam in Lore) an das Stift Elsey verkauft habe; es ist der Hof Schulte-Suntum in Laer, der seit dieser Zeit bis zu seiner Aufhebung dem genannten Stift abgabepflichtig blieb. Bei der spärlichen Überlieferung können wir über die einzelnen Lehnsträger von Haus Laer aus früherer Zeit als dem 14. Jahrh. nichts berichten. Der eben genannte Friedrich von Lore war schon vor 1364 im Besitz von Haus Laer, weil eine Belehnung zwischen 1364 und 1400, über die die älteste jetzt im Fürstlich-Bentheimischen Archive in Rheda befindliche Pergament-Lehnsrolle (Archivteil Limburg) Auskunft geben müsste, nicht erwähnt wird. Erst die oben verzeichnete Übertragung an Lambert von Herten von 1413 ist in einem später angelegten Kopiebuch der Lehnschriftstücke (1511) enthalten. Die Familie von Lore, wie sie sich nach der Siegelumschrift nennt während sie im Urkundstext meistens von Laere oder Loere heißt, führte als Wappen vier Querbalken, darüber gelegt ein nach rechts schreitender aufrechter Löwe.

Friedrich von Lore tritt urkundlich wenig hervor. Nach von Steinen Westf. Gesch. wird er 1416 und Gert von Lore 1403 unter adligen Zeugen in Langendreer genannt, 1426 (am 14.9.) untersiegelt er mit mehr als 90 märkischen Adligen ein Schutzbündnis (Siegelumschrift S. Vrederic van Lore); 1442 (am 2.5.) nimmt ein Friedrich von Lore (Siegelumschrift S. Vrederic de Lore) mit vielen märkischen Freigrafen und Freien an einer Verhandlung vor dem Freistuhl in Dortmund-Brüntrighausen teil. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Auftreten im Jahre 1413 und 1416 um den Vater und für die spätere Zeit tun den gleichnamigen Sohn. Nachdem 1413 Friedrich von Lore von Haus Laer abgezogen war, muß er in der Gegend von Wattenscheid seinen Sitz aufgeschlagen haben, denn in den Urkunden von 1426, 1427 und 1437 (Darpe 5. 93) steht sein Name zwischen Adligen dieses Gebiets. 1451 wird seine Witwe Mette von Aldenbochum genannt (Archiv Romberg Haus Buldern). Der neue Herr, der 1413 Haus Laer übernahm, gehört einer Adelsfamilie an, die nach ihrem Abzug von Herten im Bochum-Hörder Raum ihre Besitzungen hatte. Sein Vater Gerlach von Herten wird zwischen 1369 und 1406 mehrfach urkundlich genannt. Lambert von Herten untersiegelt am 1. Mai 1427 den Fehdebund der Ritterschaft des Amtes Bochum, er muss vor 1435 gestorben sein. Nach ihm findet keine Belehnung von Haus Laer mehr statt. Es muss deshalb der Lehnsnexus aufgehoben worden sein. Zwischen 1435 und 1493 klafft in der Überlieferung über Haus Laer noch eine Lücke. Auch die von Herten werden nicht mehr in Urkunden im Bochumer Raum erwähnt Wahrscheinlich war Haus Laer in der fraglichen Zeit nur von einem Pächter bewohnt da, nach der Aufstellung der Adligen im Bochumer Raume von 1437 und 1465 (Darpe 5. 92, 93, 94), für Haus Laer kein adeliger Namensträger nachweisbar ist.

Dunkel bleibt also die Zeit des Übergangs vom Lehen zum Eigentum. Nicht aufgeklärt werden wird auch, was die v. d. Leithens bewogen hat, Laer zu übernehmen und das jetzige große Haus zu bauen. Eine Einheirat kommt wohl nicht in Frage, da Dietrich, der 1493 genannt wird, in erster Ehe Gertrud v. Loe zu Dorneburg zur Gattin hatte.

Wo sind die Wurzeln der Familie v. d. Leithen? Es gibt Leithes mit 3 verschiedenen Wappen. "Der älteste Vertreter scheint der 1158 genannte Dietrich zu sein, der als Villicus des Deutzer Oberhofs Herveling in der Leithe auf der Wasserburg Leime in Gelsenkirchen saß. Das Geschlecht, das altfreier Herkunft war, hat vermutlich schon lange vor 1158 auf der alten sächsischen Grenzfeste gesessen." Nachfahren waren die Ritter zu Baldeney, auch Pilgrim v. d. Leithe auf Haus Schellenberg gehörte zu ihnen. 3 goldene Kugeln auf rotem rechtsschrägem Balken führen sie als Wappen. Ein Leithezweig im Gebiet von Soest-Welver (13. Jahrhundert), scheint dem Gelsenkirchener Stamm zu entsprießen. Aber sein Wappen, quergeteilt, oben 3 Sterne, unten 3 Rosen, hat die Rosen in der unteren Hälfte mit dem 3. Leithegeschlecht gemeinsam, das uns hier allein beschäftigen soll, und das im oberen Teil des Wappens 2 Pferdepramen, Nüsternklemmen für Wildpferde, zeigt was auf den Ursprung aus dem Emscherbruch hindeutet. Ein Heinrich v. d. Leithe saß Ende des 15. Jahrhunderts auf Schloss Romberg bei Ascheberg, ein anderer Heinrich wird 1406 genannt. Es gab Anfang des 14. Jahrhunderts eine Reihe Geistliche des Namens in Dülmen. Kurz nach dem 2. Weltkriege wurde Haus Laer benachrichtig, dass sich am Kamin eines zerstörten Hauses in Dülmen das Leithensche Wappen gefunden habe. Der begeisterte Heimatforscher Hölscher verleibte die Bruchstücke seinem liebevoll zusammengetragenen Museum ein. Ob die drei Geschlechter Leithe aus einer Wurzel entsprungen sind, auch das wird sich vielleicht nie klären lassen. Nicht genannt habe ich einige Bastardzweige, in Dortmund, in Wetter; zu den Bastarden gehört wahrscheinlich auch der Maler der Tafelbilder für die 4 Schutzaltäre von Ludwig Juppe in der Elisabethkirche in Marburg, dessen Vater und Bruder ebenfalls als Künstler anerkannt waren. Auf einem der Altarbilder ist das Laersche Wappen sichtbar. Nicht genannt habe ich viele Einzelpersonen des gleichen Namens, die bisher nicht einzureihen sind.

Eine lückenlose Ahnenreihe des Leithegeschlechts mit dem Pramen-Rosen-Wappen läßt sich nur vom Essener Raum aus herstellen. Vermutlich standen Konrad und sein Sohn Wennemar, 1258, 1264 und 1291 erwähnt als Ministeriale im Dienst der Äbtissin. Von den Pergamenten sind die Siegel abgefallen, so ist mit Sicherheit da sein Wappen erhalten ist, erst Konrads Enkel Wennemar (vielleicht ein Bruder der oben erwähnten Dülmener Geistlichen) als Ahnherr der Leithens, denen Haus Laer gehört verbürgt. Er war Ritterknappe, wird von 1319 bis etwa 1357 in Urkunden genannt und sitzt 1343 als Bürgermeister im Stadtrat von Essen. Sein Sohn Wennemar besitzt ab 1356 etwa Haus Leithe im Vest. Die letzten Spuren dieses Herrenhauses in Buer-Erle, zwischen Autobahn und Kohlenhalde sind schwach unter einer Grasnarbe zu erkennen. Der landwirtschaftliche Betrieb arbeitet heute noch. Er gehört den Grafen von Nesselrode auf Schloss Herrenstein. Wennemars Tochter Jutta brachte Haus Leithe an die Ovelackers, - es kam später an die v. Backems - ,ein Sohn Heinrich setzte die männliche Linie der Leithes auf Haus Marten bei Dortmund (belehnt 1429) fort. Ob er dort einheiratete, vielleicht die Erbtochter des Geschlechts v. Marten, da Hinrich v. Marten resignierte, ist nicht klar, denn nur der Vorname der Frau ist bekannt.

Einen Beweis für die Generationenfolge auf Leithe im Vest Marten und Laer liefert die nacheinander vollzogene Belehnung der Angehörigen dieser 3 Häuser mit dem Langengut in der Leithe bei Kray durch die Fürstäbtissin von Essen; und der Romberghof bei Hofstede, der zuerst nach Marten, dann nach Laer lehnhörig war, bestätigt ebenfalls deutlich, dass die Herren zu Laer Nachfolger der v. d. Leithen zu Marten waren, der erste v. d. Leithen auf Laer, Dietrich, 1493, also ein Sohn des Gert v. d. L. auf Marten sein muss. Dieser Gert auf Marten hatte mit seiner Frau Adelheid v. Schwansbell (vermutlich hieß seine erste Frau Greite, wenn man nicht noch einen weiteren Gert zwischen Heinrich II. und Gert annehmen will) vier Söhne.

Adrian starb 1539, vor seinem Bruder Dietrich, der 1546 sein Testament machte, und wohl bald darauf das Zeitliche segnete. Adrians Witwe blieb auf Laer, denn, da Dietrich mit Gertrud v. Loe keine Kinder hatte, war ihr und Adrians Sohn Dietrich II. der Erbe. Dieser Dietrich heiratete Elisabeth v. Havkenscheid. Von ihrem Testament 1598, das im Dortmunder Stadtarchiv aufbewahrt wird, heißt es: "sie vermachte den Armen viel". Sie überlebte ihren Mann, der 1577 testierte, um viele Jahre, denn sie starb erst 1614, vermutlich in Dortmund. Aber auch diese Ehe war kinderlos geblieben. Der Nachfolger auf Laer wird 1584 David v. d. Leithen. Dietrich v. Steinen gibt an: "seligen Josts Sohn", er sagt aber nicht, wer der sel. Jost ist. Das ergab sich nun aus einer Pergamenturkunde, die wir vor etwa 2 Jahrzehnten im Archiv Laer fanden. Der sel. Jost ist der 4. Sohn des Gert auf Marten, der Erbherr zu Marten. Sein Sohn David wurde nach Laer geholt weil dort der Erbe fehlte, er selbst hatte noch 3 andere Söhne. David heiratete Anna v. Schell zu Rechen, und diese Ehe brachte unendliche Rechtsstreitigkeiten mit sich. Als Davids Sohn Georg wegen des rückständigen Brautschatzes seiner Mutter in Selbsthilfe auf Rechen allerlei requirieren wollte, wurde er, wie v. Steinen überliefert, "mit gestärkter Hand aus den Gütern gesetzt!" Ein weiteres Ergebnis dieser Verbindung war die Schwierigkeit, die allen Söhnen und Töchtern begegnete, die bei Aufschwörungen ihre 16 Ahnen zu präsentieren hatten, wenn unter diesen ein Schell auftauchte, denn 20 Jahre dauerte der Streit um deren Ritterbürtigkeit, in dem die Schells schließlich obsiegten 9. 1614 schließt David mit seinen Kindern einen Erbvertrag. Dieser enthält die älteste eigenhändige Unterschrift eines Leithe, soweit es sich um Akten im Archiv Laer handelt. Seine Söhne sind: Georg, Jobst, Adam Christoph und Hans Hermann, neben 2 Töchtern. Georg tritt sein Erstgeburtsrecht an Jobst ab, dafür bekommt er außer den 1300 Thalern wie seine Geschwister vom Erbherrn Jobst als Vergünstigung jeden Weihnachtsabend ein Stück Gold, auch darf er sich 4 oder 5 Bücher aussuchen. Adam Christoph erhält ein Pferd, Hans Hermann laufend Kleidung. Jobst erbt die sämtlichen Güter zu Laer "als den adelichen Sitz mit seinen in- und zugehörigen Appertinenzien, Bauung, Kotten, Höfen, Mühlen, Fischereien, Holzgewächs, Wiesen Weiden, auch alle väterlichen und mütterlichen Güter, darunter den Hof zu Leithe (Langengut in der Leithe, oben erwähnt) und Rechensche Gefälle." Warum Georg auf sein Erstgeburtsrecht verzichtete, ist nicht bekannt, auch nicht, ob sein Bruder Hans Hermann Nachkommen hatte. Er war zu Ausgang des 30jährigen Krieges Grundherr des Hofes Vieting in Wiemelhausen.

Ein Dokument geradezu dramatisch in seiner kräftigen, knappen, abrupten Sprache, das ich vor vielen Jahren im Archiv fand, handelt von des Bruders Adam Christoph Tod. Er wurde von Lothar v. Bönninghausen (vermutlich der spätere General, der 1634 Marie Antoinette v. Wylich heiratete) erschossen. Befreundete junge Männer trafen sich zum Gelage auf Haus Bärendorf (Weitmar), das damals Frau v. Dinsing geb. v. Schwansbell gehörte. In vorgerückter Stunde gab es Hänseleien zwischen Lothar v. Bönninghausen und Roseir v. Loe zu Overdieck. Das Schriftstück ist das Protokoll des Notgerichts einige Tage später, zu dem v. B. nicht erscheint. Ich lasse die Aussage des Vogtes zu Bärendorf, eines der Zeugen, folgen:

Sagt wahr sei, alß Roseer unnd der Entleippter Adam Christopff zu Berendtdorpff vorgestern abendt ankommen Reitten, daselbst sich uff der Stuben setzen zu drinken, unnd samen eßen, in beisein Junckher Scheden, Boinckhaus unnd Kümpsthouves nach gehalttenem Abendteßen aber gemelter Schede zum bett unnd die Fraw zu Berendtorpff gleichfals in Ihre Schlaffkammer gangen, Loe, Leitte, Kumpsthoff und Boinckhaus in die Stuben zusamen plieben und gedruncken, Loe mitt Boinckhaus anfangs beginnen zu zancken, unnd ihme verweißen, Er hette jenen hiebeuor bey dem Grafen zu Brovh belogen, als daß er Loe mit Ime Boinckhaus nichtt hette dürfen oder Kune gewesen zu fechtten, unnd daruff ferner zu Ime aufgefahren, hab ich dan daamahls das Hertz nichtt gehapt so hab Ichs tzunder dann Ich bin darumb herkommen, daß Ich mitt Dich fechtten will, das hab Ich nichtt laisen können, Ich mußte Dir das vom Hertzen sagen, Boinckhaus aber Sich entschuldigtt daß er iehen (ihn) beim Graffen nichtt belogen, daß Er auch itzo mit Ime fechtten soltte, darzu wehre er Ihme zu schwer, Roseer aber zum hefftigsten angedrungen mitt Boinckhaus zu fechtten, innen (ihn) vonn sich gestoßen, also daß gemelter Boinckhaus uff der Stuben vor ein Anrichttens Schapff, Loe aber für des Bawfolcks Dische. Entleippter bey dem Ouen (Ofen) unnd Kumpsthoff bey dem Reisingen Dische gestanden, und Sich also ein Zeittlangs molekander mitt Worten gestoßen, der Entleiptter aber zur Sache nichtz gedahn, nuhr allein einmahll zu Boinckhaus gesprochen, hey Bruder wir sein Soldaten zusamen, laes uns mit Hoeden (Hüten) tuschen, (von toucher berühren = fechten), Boinckhaus aber Ihme das abgeschlagen, Sundern Er müste den Hoett einem andern noch eine Zeittlangs zum Ehren tragen, daruff Leite geandtwurttet so uns (?) du Dein Mutter, doestu (tust du) mitt einen rechtschaffen Kerdel nichtt tuschen, Ich daette wohl tuschen, wans schon mehr wehre, damitt Endtleiptter stille gewesen, unnd nichts mehr datzu gedahn oder gesprochen, unnd inmittels woll eine Halbstunde zusahmen stehen, drincken. Loe abermahls mit Ime Boinckhaus angefangen unnd zu fechtten gefur-dertt, also daß Kümpsthoff zuletzt zu Ime Boinckhaus gereddet, Broder waß bistu für ein Kerdell, hastu so lange gedienett, unnd hast kein Hertz zu fechtten, unnd dein Ehr zu uerthetigen (verteidigen), ich bin kein Soldatt Ich darff woll mitt einem fechtten, und für Boinckhaus mitt bloesem Degen getretten, und sich zu Loe gekerrt (gekehrt), darauf! Loe geandtwurttet Kürnpsthoff, Kümpsthoff, waß soll es sein, inmittels Boinckhaus als Kumpsthoff vor Ihme gestanden über einen Disch, unnd zwei Pistolen ergriffen, in jeder Hand eine, unnd alßballt in aller eill geschwindt, die beiden Pistolen zugleich gelosett unnd mitt der Irsten den Endleiptten gestrachs erschoßen, unnd Er auch alßpaltt uff den Kachelouen niedergesuncken, mitt dem andern schus so uff Loe gehaltten gesehen daß niemandt getroffen; dhamals als Roseer das gesehen zu Ime Boinckhaus gewaltig eingefallen, denselben mitt einer Handt ergriffen, unter sich geworffen, und mitt der andern Handt zu Ime eingehauwen, Kumpsthoff dafur gehaltten unnd Boinckhaus mitt seinem Degen gerettet, alß daß Er dauon unnd in ein Kammer kommen, wo Er daplieben sey. Sey Zeug unwisig, wise auch nichtt wie derselbe vom Platz kommen sey, ob Boinckhaus verwundett sey gewesen oder nichtt konne nitt sagen, Zeuch hab folgentz Loen geholffen, daß er aus die Pfortten weg geritten, und darnach geschoßenen Leitten uff etzliche Küßen im Vinstern niderge-lecht, unnd sey dis geschehn ungefehr bey zwey Uhren nach Mittnacht, denn die Hanen hetten bereitz zweymahll gekreiet gehaptt

Aus der 2. Generation auf Leithe im Vest ist überliefert dass 2 Brüder, Heinrich und Johann, 1388 an der Dortmunder Fehde teilnahmen. Von den Nachkommen ist nichts Kriegerisches bekannt. Aber die Generation des David wächst in den 3Ojährigen Krieg hinein. Einer seiner Brüder ist 1623 "als daß er auf Dortmund geritten bey Dorßfeld von drey Spaniern damahls stark im Lande gelegen, verräterlicher Weise ermordet worden)". Und Davids Sohn Jobst, der Erbherr auf Laer, Obristwachtmeister, lag 1634, von Essen zurückkommend, in Steele. Bochum schickte einen Kundschafter dorthin aus Furcht vor den Schweden unter Oberst Wendt v. Krassenstein, die die Gegend unsicher machten. Jobst ist lutherisch, 1630 haben er, sein Bruder Georg und sein Vetter Jobst v. d. L. auf Marten mit der evang. Ritterschaft des Amtes Bochum den Kurfürsten v. Brandenburg gebeten, Übungen der ev. Religion in Bochum zu gestatten. 1638 schreibt er an die Frau des Richters Daniels "Edelfeste ehr- und vieltugendreiche in Ehren vielgünstige Frau Richtersche" unter anderem: "zudem haben die Wartenburgischen dermaßen mit mich gehuset, daß des Schadens noch in 6 Jahren nicht vergessen werde, und daß leider die abscheuliche Krankheit auf meinem Hause gehabt, davon keinen geringen Schaden habe verschmerzen müssen". Unterschrift: E. L. in Ehren dienstwilliger Jobst v. d. Leithen zu Lhaer. Nach seinem Tode vor 1644 heißt es, die Störung des kath. Gottesdienstes im Jahre 1644 sei dadurch veranlaßt daß der kath. Pastor Johann Funck dem v. d. Leithe sein Erbbegräbnis habe verweigern wollen. Darpe, S. 267). Die Grabplatte seiner zweiten Frau, Margarete v. Galen aus dem Hause Töddinckhausen (+ 1657) liegt im Gartengelände von Haus Laer. Sie stammt aus der 1895 abgerissenen Ümminger Kirche, wie alle jetzt auf Laer befindlichen Grabplatten. Die Herren vom Hause Laer hatten ihre Erbgruft in der genannten Kirche.

Jobst hinterließ nur einen Sohn, Jobst Christoph, der sich im Gegensatz zu seinem Vater zahlreicher, legitimer, aber auch illegitimer Nachkommenschaft erfreute. Mit seinem zweiten Sohne Jobst Wilhelm beginnt die Zelt die in einem besonderen Aufsatz behandelt worden ist die Zeit der Beziehungen zu Holland. Zwar ist Jobst Christophs ältester Sohn Johann Mauritz (+ 1674) churbrandenburgischer Kornett, aber Jobst Wilhelm dient 4 Jahre im holländischen Heere, wohl durch die Beziehungen zu den auch in Holland begüterten Angehörigen seiner Mutter Mechtel v. Palant veranlaßt wie ich an anderer Stelle nachzuweisen versucht habe. Vor kurzem fand sich ein Brief des Haussekretärs Ebel an den Sohn seiner Herrin Isabella v. d. Leithen, den späteren Landrat in dem er schreibt: Stellen Sie sich vor: "Als das Grab für Ihre Frau Großmama von Tiemann gemacht wurde, fand sich ein bei die 1  Fuß in die Erde versunkener herrlich gehauener großer Stein mit einem Wappen und darauf Johann Mauritz v. d. Leiten, Cornet in Kurfürstlich Brandenburgischen Diensten 1664. Dieser Stein soll nun für die Selige zum Denkmal gehauen werden und ist deshalb vor die Kirche gebracht worden.

Glücklicherweise liegt diese sehr schöne Grabplatte mit dem Reliefbild des Kornetts als Reiter unversehrt auf Laer, wurde also nicht für eine spätere Generation benutzt und zerstört Eine Reihe Pergamente mit dem großen Holländischen Staatssiegel beurkunden die Verleihung der verschiedenen Dienstgrade an die 4 Leithes in drei Generationen. Mit Jobst Christoph, dem Sohne von Jobst Wilhelm und Mechtel v. Palant ist der Höhepunkt ihrer militärischen Laufbahn erreicht. Er war General der gesamten holländischen Infanterie. Von 1704 bis zu seinem Tode 1745 stand er in den Diensten der Niederlande, länger als sein Vater und seine beiden Söhne. Aber trotz des span. Erbfolgekrieges scheint seine Dienstzeit ärmer an unmittelbaren kriegerischen Erlebnissen gewesen zu sein als die seines zweiten Sohnes Adolf Henrich Jobst, der 1731 als Fähnrich begann und nach lebhaften Schilderungen in seinen Briefen an heftigen Kämpfen im österreichischen Erbfolgekriege von 1740 - 48 beteiligt war.

1736 wird Adolf Henrich Jobst vom Abt Bendikt von Werden in "nutz, nahmen und behueff" seiner Stiefmuter Charlotte von Bottlenberg mit der Baldeney in Essen belehnt. Auf diese Weise wurde auch der Leithezweig mit dem Pramenwappen mit der Baldeney verknüpft 1746 heiratet er Janna Maria v. Syberg zum Busch, die Tochter des Justizpräsidenten über Cleve und Mark, des preußischen Geheimen Rats Johann Giesbert v. Syberg zum Busch. Haus Busch lag in der Nähe der Hohensyburg. Die Hochzeit wird um einige Tage verschoben, da der Vater Syberg dienstlich in Cleve festgehalten wird. "Man erwartet die baldige Anherokunft Seiner Kgl. Majestät (Fr. d. Gr.) zur besseren Regulierung des Justizwesens". Adolf Henrich Jobst muß gleich wieder ins Feld. Dieser Tatsache verdanken wir die vielen Briefe seiner Frau. Noch im gleichen Jahre stirbt Janna Maria im Kindbett. Wie beim Tode seines Vaters, des Generals Jobst Christoph, 1745, ist Adolf Henrich Jobst, mitten in Kampfhandlungen, nicht abkömmlich. Seinen Sohn, "der kleine holländische Soldat" genannt, muss er, da der Arzt die Übersiedlung zur Tante v. Bodelschwingh ohne Amme nicht gestattet - und die Amme nicht mitziehen will - fremden Händen überlassen, bis er 7 Jahre später Lisette v. Schwansbell zum Oberfeld heiratet die er nach der Geburt ihres 3. Sohnes 1763 ebenfalls im Kindbett verliert

Hier sei eine Zwischenbemerkung gestattet. Wir sind jetzt im Verlauf des Berichts über die Menschen auf Laer in der Mitte des 18. Jahrhunderts bei einer Zeit angelangt die außerordentlich gern Briefe schreibt. Wir sind deshalb über viele kleine Alltagsdinge im Bilde, von denen Sie eben eine Probe gelesen haben. In der nächsten Generation, im letzten Viertel des Jahrhunderts, werden die Briefe, selbst die der Männer untereinander, freundschaftlicher, gefühlvoller, sentimentaler. Man geht mehr aus sich heraus, fast erscheint der Ton uns nüchternen Kindern des 20. Jahrhunderts nicht mehr ganz echt, vielmehr phrasenhaft und schwülstig.

Ab 1752 lässt sich Adolf Henrich Jobst für ein Jahr, dann jeweils für 4 Jahre vom Dienst in Holland beurlauben. Er möchte sich ganz lösen, möchte eine Landratsstelle annehmen. Aber das schlägt ihm Friedrich der Große ab. Leithe ist Vertreter der Märkischen Ritterschaft, wurde wie seine Vorfahren zum Landtag auf geschworen und reist deshalb häufiger nach Cleve. Da er trotz der Beurlaubung vom holländischen Staat noch nicht entlassen ist und im Siebenjährigen Kriege Frankreich und Holland sich ausnahmsweise nicht feindlich gegenüberstehen, erhält Haus Laer in den unruhigen Zeiten der Durchmärsche und Kampfhandlungen eine Sauve-Garde (Schutzbriefe), große schön gedruckte Dokumente, einmal von Charles de Rohan, Prince de Soubise, dessen Truppen 1761 in Dortmund lagen; 1762 von Louis Joseph de Bourbon, Prince de Condé, dessen Hauptquartier in Bochum war. Ebenso üppig in Format und Ausführung ist ein 1760 ausgestellter Paß. Der Kopf: "Louis comte de St. Germain usw." Der Text: "Prions ceux quis sont a prier, ordonnons á ceux qui sont sous ordres de laisser librement et surement passer M' le Baron de Leithe allant á sa seigneurie de Laer dans le comté de la Marck".

Die dritte Frau des Adolf Henrich Jobst, die er 1764 heiratet, Elisabeth v. Kettler zu Heringen, überlebt ihren Mann, der 1768 stirbt um 23 Jahre und wird, als auf Laer die Kinder ihres Stiefsohnes Johann Albert Giesbert Jobst, des Sohnes von Janna Maria v. Syberg, beiden Enkel. Johann Albert Giesbert Jobst heranwachsen, die gütige Großmutter ihrer heiratet 1770 Ludovica IsabeIIa v. Berswordt-Wallrabe, Tochter des Maximilian Konrad v. Berswordt und der Josina Isabella v. Syberg zu Kemnade und Schwester des Bersword, der Haus Weitmar kaufte. Ölbilder der beiden Berswordts, des Johann Albert Giesbert Jobst und seiner Mutter Janna Maria hängen auf Laer. 1780, nach 10 Ehejahren, stirbt Isabellas Mann, und sie muss nun allein für das Gut die Erziehung der Kinder sorgen und bat die Anforderungen, die in den Koalitionskriegen an die Güter gestellt wurden, durchzustehen. Da war es gut dass sie als Haussekretär und Berater den Friedrich Ebel aus Weilburg an der Lahn hatte, der recht energisch für die Interessen seiner Herrin eintrat was manchmal zu Schwierigkeiten mit den Dorfbewohnern führte. Graf v. d. Recke auf Overdieck schreibt an ihn: "Dies ist das Seculum der Freiheit und Gleichheit und man wird ja bald seine Portion darin verzehrt haben". Ebel stand dem v. d. Reckeschen Kreis, seiner Schule und ihren Erziehungsidealen nahe. Durch seine Vermittlung kam der älteste Sohn Isabellas, Konrad, der spätere Landrat auf auswärtige Schulen, nach Schwelm und dann nach Weilburg, wohl mit besseren Erfahrungen als sein Vater sie 1755, 10 Jahre alt auf dem Burggymnasium in Essen, vor allem in der ihn betreuenden Familie des Lehrers und Kantors Chr. Fr. Melchert, gemacht hatte. Isabellas Söhne dienten zunächst beide, der jüngere Giesbert, um Berufsoffizier zu werden, in Ostpreußen, der ältere, Konrad, in Mitteldeutsch-land. Beide heirateten Frauen, die ihnen in diesem Zeitabschnitt ihres Lebens begegneten, beide erstmalig nicht aus dem rheinisch-westfälisch-niederländischen Bereich; der jüngere Helene v. Kortzfleisch aus Königsberg, Konrad die Tochter des Oberhofpredigers Lehmann aus Zerbst, die erste bürgerliche Frau der Leithens. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts, also noch einige Jahre später, verbot König Fr. Wilhelm II. den Verkauf von Laer an Bürgerliche. Laer ging es um die Jahrhundertwende, vor allem in den Franzosenjahren, finanziell sehr schlecht. Es wurden dann 1801 aber nur Hinterste Steinkuhl und Sypen, die an Isabella vererbt worden und bei der Teilung an Gisbert gefallen waren, verkauft. Damals gehörten zu Steinkuhl 13, zu Haus Laer 14 Kotten, von denen der größte Teil bei der Aufhebung der Erbuntertänigkeit in das Eigentum der Aufsitzer gegen Ablösung überging.

In Isabellas Zeit fällt kurz nach 1800 die Anlage zweier Zechen auf Grund und Boden von Haus Laer, von denen eine "Isabell" genannt wird, mit den Eisensteinflözen "Isabellatrost" und "Isabellaglück". Der Freiherr vom Stein, der damals beim Bergamt in Wetter saß, bittet in einem höflichen 4 Seiten langen Brief um die Erlaubnis für einen Bergmann, einen zu Haus Laer gehörigen Weg der Abkürzung halber benutzen zu dürfen.

Mit diesem kurzen Bericht kann die Zeit der Isabella auf Laer nicht erschöpft werden. Rein äußerlich sind wir jetzt noch mit ihr durch die vielen Hinterlassenschaften verknüpft Ich nenne den Schrank ihres Großvaters Matthias v. Syberg auf Kemnade mit dem Sybergschen und Rombergschen Wappen, den Schreibschrank ihres Vaters, vor allem die Bücherei ihres Vaters, soweit sie an seine Tochter fiel, und ihre vielen, vielen Briefe an ihre Söhne und an die Enkel, die sie, als sie wieder nach Dortmund gezogen war, bei sich aufnahm, damit sie dort zur höheren Schule gehen konnten.

Es wäre ganz reizvoll, sich an Hand der Verkehrsmöglichkeiten der damaligen Zeit der Zusammensetzung der Bewohner des Hauses, der sämtlich noch vorhandenen Haushalts- und Gutwirtschaftsrechnungen und zahllosen Briefe ein plastisches Bild des Lebens in solch einem Gutshause im 18. Jahrhundert zu machen. Dazu würde dann auch die Auswertung der ebenfalls noch vorhandenen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen gehören. Das ist schwer und würde in diesem Rahmen auch zu weit führen. Ich kann nur andeuten.

Nach einer vorliegenden Post-Karte von 1799, einer Landkarte mit den eingetragenen Postverbindungen, auf der Bochum nicht einmal vorhanden ist gab es von Dortmund aus, das man als kleine Stadt bezeichnet nur eine reitende Post und nur nach Unna, von Essen teils eine einfache, teils eine doppelte reitende Post nach Düsseldorf und eine Extrapost nach Duisburg. In Unna, Düsseldorf und Duisburg ging es dann nach verschiedenen Richtungen weiter, aber eine fahrende Post ist nur von Bad Berka bis Butzbach (Oberhessen) zu erkennen. Man war also wohl völlig auf eigene Wagen angewiesen, auf mehr oder weniger schlechte Wege. Die Chaussee Essen-Unna-Soest an Dorf Laer vorbei, wurde erst 1794 ganz fertig.

Leider sind über Haus Laer nur spärliche bauliche Nachrichten vorhanden. Das Alter des Haupthauses, auf Rosten aus Eichenstämmen im Wasser erbaut, wurde oben mit 500 Jahren angegeben. Eine der nicht erneuerten Scheunen trägt die Jahreszahl 1719, die steinerne Brücke über die Gräfte ist 1826 erbaut und hat vielleicht erst dann die Zugbrücke ersetzt Die Einschnitte im Mauerwerk für die Ketten waren noch etwa 1910 vorhanden und sind erst anlässlich eines Mauerrutsches beseitigt worden. Inzwischen hat eine Besichtigung der Grundmauern durch einen Sachverständigen vor wenigen Wochen ein beachtliches Ergebnis gehabt Wir berichteten, erst seit zwei Jahren sei bekannt, dass im 14. Jahrhundert, vermutlich schon 1243, ein Burghaus vorhanden war. Es sollte festgestellt werden, ob dieses Burghaus als Kern noch in der jetzigen baulichen Anlage steckt oder vielleicht anderswo gelegen hat. Wirklich konnte ein quadratischer Kellerraum mit altem Deckengewölbe, besonders kräftigen Mauern, einem an der Außenwand liegenden mächtigen Kamin und einem noch nicht untersuchten runden Einbau (Brunnen oder Wendeltreppe in den darüber liegenden Raum) als mögliches Burghaus ermittelt werden. Dieser Kern wurde später umbaut verlängert, mit Gebäudeteilen, auf die das überlieferte Alter von 500 Jahren zutreffen mag, andere mögen erst später entstanden sein.

1795 wehrt sich Isabella gegen Einquartierung. Sie habe ihr altes kleines Haus, welchem der Einsturz drohte, noch im Herbst an einer Seite niederreißen müssen, die Stube läge noch wüste, nicht ein einziges Zimmer habe sie frei als das einzige tapezierte Zimmer im Haus, den Saal. Denn selten lebte nur die engste Familie im Gutshaushalt. So finden wir auf einer Rechnung von 1741-43 folgende Personen aufgeführt: das kleine Fräulein Anna Josina (Tochter des Generals aus seiner zweiten Ehe mit Charlotte v. Bottlenberg), der General, die Generalin, der Herr Leutnant (Adolf Henrich Jobst), Fräulein v. Düngelen (Schwester der ersten Frau des Generals, lebte von 1729 bis 1767 im Hause), Herr v. Plettenberg. Dazu fünf nur mit Vornamen genannte männliche Personen, vielleicht Diener und Knechte. Ferner: der alte Johann Hendrich (illegitimer Sohn von des Generals Großvater), der Jäger Hennerich, der Jäger Job. Dietrich, Herr Cadet Grüne, der kleine Jägerknabe, der neue Recrut v. Warren, der Soldat so ausgerissen, der Kutscher, der Generalin ihr Diener, der Schweinehirt Dies ist keine Anwesenheitsliste, denn der General und der Leutnant hielten sich meist in Holland auf. Es ist nur eine Liste der Personen, die an sich zum Hause gehörten, und von diesen sind nur die genannt deren Schuhe oder Lederzeug vom Schuster geflickt worden waren; denn wir wissen, dass von 1738 bis 1745 Goswin Albert v. Düngelen, ein Bruder der ersten Frau und der Josina Amelia, sich mit Knecht und zwei Pferden einquartiert hatte, sehr zum Ärger der Familie, und nur durch einen Prozeß zur Unterhaltszahlung zu bewegen war. Bei Herrn v. Plettenberg muss es sich um den Herrn zu Heiden handeln, der vielleicht als Dank für längere Unterkunft Kindteile an Raus Heiden an die v. d. Leithen zu Laer vermachte. Er starb vor 1745, die Begräbniskosten trug Haus Laer. Vermutlich noch vor dem Tode ihres Mannes Adolf Henrich Jobst (1768) nahm seine dritte Frau Elisabeth v. Kettler ihre Freundin aus den Jahren im Stift Fröndenberg, Charlotte Quad zu Wickrad zu sich, bis zu deren Tode 1783. Ein Grabstein auf Laer: Denkmal der Freundschaft für die Chanoinesse Reichsfreiin Charl. Dor. Quad v. Wickrad, gesetzt von ihrer Lisette v. d. Leithen geb. v. K. Beide waren langjährige Hausgenossen der Isabella, deren Mann sie überlebten, die Großmutter sogar um 10 Jahre. Als ihr Arzt und als Hausarzt und Freund der Familie ging Dr. Kortum, der Dichter der Jobsiade, von etwa 1781 an auf Laer ein und aus.

Vom 19. Jahrhundert wäre viel über die Franzosenzeit zu sagen und den ältesten Sohn der Isabella, der sie als Landrat in Wetter, Hagen und Bochum mit einer zwangsweisen Unterbrechung von 1809 - 1817 erlebt hat. Als er 1829, ein Jahr vor seiner Mutter Isabella, stirbt, bringt die Tageszeitung einen "Nekrolog auf den Tod eines Edlen". Sein jüngster Sohn hat die letzten Tage ausführlich beschrieben. Er übernahm wenige Jahre später das Gut, da der älteste Bruder, Louis, Justizkommissar, zwei Jahre nach dem Vater starb, und der zweite Bruder, Otto, Offizier war. Mit dem Gute übernahm Gisbert, im Dorf der "Kabbeleer" genannt große finanzielle Belastungen, die durch einen Brand, dem Hofgebäude zum Opfer fielen noch vergrößert wurden. Er brauchte eine tüchtige Frau, und so heiratete er in zweiter Ehe eine Tochter des alten Bonnermannhofes. Mit seinem jung verstorbenen Sohne erlischt der auf Laer ansässige Leithezweig im Mannesstamm. Die älteste Tochter heiratete Gustav Frielinghaus, dessen Vater von Frielinghausen bei Bommern, von Niederste Frielinghaus, kam. In Anna Frielinghaus verkörperte sich die ganze Kraft und Zähigkeit westfälischen, schollengebundenen Blutes. Ihr Wesen lebt in vielen anekdotenhaften Erzählungen derer, die sie noch gekannt haben, fort aber nicht nur der Nachbarn und Dorfbewohner, wie die folgende kleine Geschichte zeigt: In den Wirren nach dem ersten Weltkrieg, in der Zeit des Kapp-Putsches, war viel Militär auf Laer. Soldaten schickten sich eines Tages an, mit einem Maschinengewehr im Garten zu schießen. Anna Frielinghaus, damals 75 Jahre alt sieht das, geht hin, tippt einem Soldaten mit ihrem Stock auf die Schulter und sagt: Wenn ihr schon Krieg machen müsst, dann aber nicht auf meinem Grundstück. Diesen Ausspruch griff Martin Niemöller, der in der damaligen Zeit als Angehöriger eines Freikorps hin und wieder zu seinen Verwandten nach Haus Laer kam, auf und verwandte ihn in verschiedenen Reden gleichnishaft für die Lage in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg.

Es wäre zum Schluss ein Wort über das Archiv zu sagen, das noch keineswegs ausgewertet werden konnte, wenn sich auch Herr Schulrat Rüter der Schulakten und Herr Pfarrer Werbeck der Akten über die Umminger Kirche gründlich angenommen haben. Es enthält viel Material, das in diesem Bericht gar nicht berührt werden konnte.

"Häuser, deren Bestimmung es ist mehreren aufeinanderfolgenden Generationen als Wohnung und Zuflucht zu dienen, entfalten mit der Zeit ein Eigenleben, das sie aus einem zweckbestimmten Gebilde unbeseelter Materie zu einem zwar äußerlich unabänderlich ruhenden, aber geheimnisvoll atmenden, von einem verborgenen Herzen durchpulsten, wissenden und schicksalsmächtigen Wesen werden lässt Ihre Wände, vollgesogen mit dem Anhauch von menschlichem Glück und Leid, mit dem Stöhnen und Seufzen der Lust und des Schmerzes, der Geburt und des Todes, mit dem Stammeln der Liebe, den nächtlichen Zwiegesprächen der Jugend, den bitteren Monologen des Alters - diese Wände umschließen allmählich einen unsichtbaren Organismus, der, von dem sich innerhalb seines Kreislaufs abspielenden Treiben der jeweiligen Bewohner genährt es aufsaugt und in mehr oder weniger vitale Perioden des eigenen traumhaften Daseins wandelt."

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