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Johanniskirche, Witten

Orientierungspunkt im Herzen der Stadt seit über 800 Jahren

Die Johanniskirche ist ein denkmalgeschütztes, evangelisch-lutherisches Kirchengebäude in Witten, im Ennepe-Ruhr-Kreis in Nordrhein-Westfalen. Sie gilt als ältestes Gebäude der Stadt. Ihr genaues Alter kennt man nicht, doch erhöht über dem ehemaligen Kornmarkt prägt die Johanniskirche seit jeher weithin sichtbar das Stadtbild Wittens. Nicht gänzlich unbeschadet überdauerte sie die Jahrhunderte und blieb doch vielen trotz wechselndem Gewand ein sicherer Anker in stürmischen Zeiten. Hier wird die Geschichte der ›hiligen Kercke St. Johannis‹ näher betrachtet, ihr Weg von der einstigen Kapelle des Frühmittelalters hin zur repräsentativen Stadtkirche der Gegenwart.

 

Wie alt ist die Johanniskirche?

Was die wenigsten wissen: In vorreformatorischer Zeit war die Johanniskirche nicht nur ihrem heutigen Namensgeber, dem Heiligen Johannes dem Täufer, geweiht, sondern ebenso dem Heiligen Dionys, dem ersten Bischof von Paris, der im 3. Jahrhundert wirkte. Dieses Patronat gewährt Rückschlüsse auf das mögliche Alter der Kirche. So gab es zwischen 1005 und 1050 nach Chr. im westfälischen Teil der Erzdiözese Köln fünf Dionys-Kirchenpatronate. Eines davon hatte die ehemalige Dionyskirche in Herne inne, deren Ursprung ins 9./10. Jahrhundert gesetzt wird. Vermutlich kann ein solches Alter auch für den Vorgängerbau der heutigen Wittener Kirche angenommen werden. Schon in merowingisch-karolingischen Zeiten zählte ­Dionys zu den Hausheiligen; in frühottonischer Zeit galt er gar als Königsheiliger. Die Vergabe eines solchen Patronats an die Wittener Kirche könnte daher tatsächlich bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen, in die Zeit der allmählich durchdringenden Christianisierung des Landes zwischen Ruhr und Lippe. Errichtet wurde die Kirche womöglich zwischen 820 und 900 nach Chr.

 

 
Grundriss Johanniskirche Witten
Die Johanniskirche ist eine Stadtkirche. Als historisches Gebäude dokumentiert sie die Stadt-, Kultur- und Kirchengeschichte der Stadt Witten, denn ihre Ursprünge gehen zurück bis ins 9. Jahrhundert. Sie prägt, neben Rathaus und Markt gelegen und vom Einzelhandel umgeben, das Wittener Stadtbild.
 

Die ›capella curata‹ wird zur Pfarrkirche

In ihrem Ursprung handelte es sich bei der Wittener Kirche – beziehungsweise ihrem Vorgängerbau – wohl um eine der Seelsorge dienende Holzkapelle (›capella curata‹), in der die Mitglieder des Wittener Hofesverbandes – später auch Geistliche – ihre letzte Ruhestätte fanden. Zur Pfarrkirche erhoben wurde sie erst zwischen 1000 und 1200, als die Siedlungen im Ruhrgebiet immer mehr anwuchsen und damit auch die Notwendigkeit, neue Pfarreien zu gründen. So wurde die ›capella curata‹ schließlich mit Pfarrrechten, wie dem der Taufe, ausgestattet. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde ihr in dieser Zeit auch das Johannis-Patrozinium verliehen, das das ursprüngliche Dionys-Patrozinium schließlich überlagerte.

 

Überregionale Bedeutung

Bereits im 13. Jahrhundert kam dem Wittener Gotteshaus überregionale Bedeutung zu: So erwähnt eine Urkunde aus dem Jahre 1214 den hiesigen Pfarrer Antonius – und damit auch erstmals eine Kirche an diesem Ort –, der mit der Leitung des Dekanates Wattenscheid betraut worden war. Auch zwei seiner Nachfolger bekleideten dieses Amt: Everhardus 1294 sowie Konradus in den Jahren 1316, 1318 und 1334. Für mehr als 100 Jahre löste Witten damit die Pfarrkirche in Wattenscheid ab. Danach ging das Amt des Dechanten auf die Pfarrei in Bochum über.

 
 

Der Kirchenneubau von 1752

Wie der ursprüngliche, frühmittelalterliche Kirchenbau aussah, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei belegen. Wahrscheinlich wurde er um 1375 durch eine Steinkirche mit Turm ersetzt. Als sicher gilt jedoch, dass 1715 ein Blitzschlag die Haube des Kirchturmes zerstörte. Bis 1717 wurde sie im Barockstil wiederaufgebaut. Bis zur Erneuerung des übrigen mittlerweile ebenso baufällig gewordenen Vorgängerbaus dauerte es jedoch ein wenig länger. Erst 1752 begann man mit dem Abriss der alten Kirche und dem Bau der neuen. Wichtige Änderung: Die liturgische Umorientierung, die mit der Einführung der Reformation in Witten nach 1550 einherging, sollte sich auch in der architektonischen Gestaltung widerspiegeln. So wurde eine ansehnliche barocke Saalkirche (100 Fuß lang und 44 Fuß breit) aus Bruchsteinen errichtet, die den bisherigen eingezogenen 5/8-Chor zugunsten einer Erweiterung des Kirchensaals aufgab. Zudem verzichtete man auf Pfeiler und Stützen der alten Kirche und entschied sich für eine den Saal in seiner gesamten Breite überspannende Decke. Den zum Altar führenden Mittelgang ließ man ebenso weg, wodurch das Gestühl als einheitlicher Block in der Mitte des Saales untergebracht werden konnte. 500 Sitzplätze standen dadurch zur Verfügung. Der 1715 erneuerte Turm blieb erhalten und mit ihm die drei aus den Jahren 1485, 1501 und 1639 stammenden Glocken. Erstere, die sogenannte Marienglocke, wurde 1917 ins Märkische Museum ausgelagert, um sie vor der Einschmelzung zu bewahren. Heute befindet sie sich in unmittelbarer Nähe ihrer früheren ›Wirkungsstätte‹: im Foyer des 2003 eröffneten Johanniszentrums.

 

Weitere Umbauten bis zum Zweiten Weltkrieg

Der 500 Plätze umfassende Kirchensaal reichte jedoch schon um 1850 nicht mehr aus, der stetig wachsenden ›Seelenzahl‹ der Gemeinde gerecht zu werden. Daher entschloss man sich 1856 zu einer Vergrößerung. So erhielt der Kirchensaal nach Osten hin einen Anbau, der es ermöglichte, die Zahl der Sitzplätze auf 900 zu erhöhen. Doch auch diese Erweiterung genügte nicht langfristig. Als Entlastung wurde 1889 der Grundstein für die Gedächtniskirche gelegt (Einweihung 1892). Im Zuge der Bombardements des Zweiten Weltkrieges wurde sie jedoch so stark beschädigt, dass sie in den 1960er-Jahren abgerissen werden musste.

 
 

›Lämpkes Kerk‹

1871 wurde in der Johanniskirche – insbesondere für die Abendgottesdienste – eine Gasbeleuchtung installiert. Von den Wittenern wurde sie daher liebevoll ›Lämpkes Kerk‹ genannt. 1885/86 verkleidete man das Kirchengewölbe mit einer Holzdecke. Eine weitere grundlegende Renovierung des Kircheninneren erfolgte 1903. Hierbei wurden die Totengrüfte abgedeckt und der Fußboden mit einem neuen Belag versehen. Auch der Altar, die zum Turm hin verlegte Orgel sowie das Gestühl im unteren Bereich wurden erneuert. Der Chorbereich erhielt neue Fenster, als Heizung dienten vier Gasöfen. Eine Sakristei wurde an der südöstlichen Seite angebaut. 1928/29 kam zudem eine elektrifizierte Beleuchtung hinzu, ebenso wurde das Gestühl der Emporen modernisiert.

 

Der Wiederaufbau während der Nachkriegszeit

Während der britischen Luftangriffe am 19. März 1945 erlitt auch die Johanniskirche erhebliche Schäden. Bis auf den Turmstumpf und stark beschädigte Außenwände blieb von ihr nicht mehr viel übrig. Lediglich die Katharinenglocke von 1501 überstand die Weltkriege und die Zeit des NS-Regimes nahezu unbeschadet. Der Grund: Glocken, die älter als 200 Jahre waren, durften nicht eingeschmolzen werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden die ersten Gottesdienste der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde notgedrungen in der Turnhalle des Mädchengymnasiums am Markt statt, von 1951 an im wiederaufgebauten Teil des Gemeindehauses in der Augustastraße. Besonders beeindruckend muss die Messe am 7. Oktober desselben Jahres gewesen sein, die in der Kirchenruine abgehalten wurde. Die Menschen – ganz gleich ob gläubig oder konfessionslos – waren sich einig: Sie wollten ihre Johanniskirche wiederaufbauen – die Aufräum- und Sanierungsarbeiten begannen im selben Monat. Bereits am ersten Adventssonntag des Folgejahres konnte die wiederaufgebaute Kirche feierlich geweiht werden. Sie verfügte über ein neues Dach mit Ziegeleindeckung. Der einstige barocke Turmhelm wurde nicht wiederhergestellt, sondern nach Vorbild des Stockholmer Rathausturmes überhöht und neu gestaltet. Die Katharinenglocke von 1501 fand ebenso ihren Platz in der Glockenstube wie drei weitere Glocken, gegossen 1952/53. Das Kircheninnere mit seiner als Halbtonne ausgeführten Holzdecke entsprach dem Typus ›Saalbau‹, der einstige Kanzelaltar wurde nicht wieder aufgenommen. Besonders beeindruckend in dem sonst eher schlichten Kirchraum: die drei großen farbigen Chorfenster des Berliner Künstlers Egon Stolterfoth. Noch immer erzählen sie von der Geschichte des Sündenfalls, von der Heimkehr des verlorenen Sohnes und vom Abendmahl sowie der Auferstehung Jesu.

 

1989: Aufnahme in die Liste der denkmalgeschützten Bauwerke

Auch in den folgenden Jahrzehnten erfuhr die Johanniskirche weitere Renovierungen und ›Auffrischungskuren‹: zum Beispiel die Neueindeckung des Daches, die Ersetzung des stählernen Glockenstuhls durch einen hölzernen oder die Einweihung der neuen Orgel. Die Ausstrahlungskraft des Wittener Sakralbaus als wichtiger und historischer Identifikations- und Orientierungspunkt im Herzen der Stadt blieb ­jedoch ungebrochen – und das über Konfessionsgrenzen hinweg bis in unsere heutige Zeit. Auf besondere Weise dokumentiert die Kirche die Siedlungs-, Kultur- und Kirchengeschichte Wittens seit dem Mittelalter und wurde daher zu Recht 1989 in die Liste der denkmalgeschützten Bauwerke aufgenommen.

 

Quelle: Stadtmagazin Witten, Ausgabe 95 (2/2015)

 
 

Über der Seitentür der Kirche ist links und rechts die Jahreszahl 1752 noch sichtbar. Links "MDC" Rechts"CLII" (M = 1000, D = 500, C = 100, L = 50, I = 1)

 
 

1696 lieferte Johann Georg Alberti eine Orgel für die Johanniskirche. In Wellinghofen entschließt man sich um 1709 ebenfalls zum Bau einer neuen Orgel durch Johann Georg Alberti. Der Orgelbauvertrag weist aus, dass Alberti verpflichtet wurde, eine Orgel zu liefern, die "wie die Wittensche ahn Structur Stimmen und Register ist".

Die Chorfenster, entworfen von Egon Stolterfoth (* 1912 † 1986), gefertigt von der Berliner Bauhütte Kirchlicher Künste. Das linke Fenster wurde gestiftet vom Evangelischem Presseverband, das mittlere Fenster vom Kultusministerium NRW, und das rechte Fenster vom Einzelhandelsverband sowie der Kreishandwerkerschaft Witten.

 

Kirchenfenster

In dem sonst eher schlichten Kirchraum nehmen die drei großen farbigen Fenster eine besondere Rolle ein. Nach dem 2. Weltkrieg von dem Berliner Künstler Egon Stolterfoth geschaffen, erzählen sie von der langen Geschichte Gottes mit den Menschen, die immer wieder von menschlichem Misstrauen und göttlicher Zuwendung geprägt ist. Dabei kommt den Farben eine symbolische Bedeutung zu: Gelb kann man als Hinweis auf Gottes Geist der Liebe und der Versöhnung verstehen, während Grün als Farbe der Sünde interpretiert werden kann. So erzählen die beiden äußeren Fenster von Schuld und Vergebung und von der Verheißung, die sich mit Taufe und Abendmahl verbindet.

Sündenfall von Adam und Eva. Taufe Jesu im Jordan

Das Tauffenster

Es beginnt links oben mit der Geschichte vom Sündenfall. Das Misstrauen, das die Schlange zwischen Gott und Mensch aussät, spiegelt sich in der grünen Gesichtshälfte Evas wider. In der unteren Hälfte wird die Taufe Jesu im Jordan dargestellt. Hände und Arme des Täufers sind in warmes Gelb getaucht und weisen so auf die vergebende Liebe Gottes hin, die gleich zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu erkennbar Wird. Der dort zitierte Satz des Taufers „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen" stammt übrigens nicht aus der Taufgeschichte. Johannes sagt ihn später im Gefängnis, als seine Jünger ihm von den Taten Jesu berichten. Der Täufer, dem diese Kirche gewidmet ist, erweist sich so als Wegbereiter Christi, der sich selbst zurücknimmt, weil er in Jesus von Nazareth den von Gott gesandten Messias erkennt.

Christi Auferstehung

Der Sieg des Lebens

Im Zentrum der Kirche steht der auferstandene Christus. An seinen zum Segen erhobenen Händen sind die Wundmale vom Tod am Kreuz zu sehen. „Der Herr ist auferstanden“ - diese Freudenbotschaft des Ostermorgens macht das Leid des Karfreitags nicht ungeschehen. lm Mittelfenster dominiert ein warmes Gelb. Die vergebende Liebe Gottes zeigt sich darin, dass Gott den zu Unrecht hingerichteten Jesus von den Toten auferweckt hat. Die Gegner Jesu haben immer wieder Beweise dafür gefordert, dass dieser Zimmermannssohn aus Nazareth tatsächlich von Gott gesandt wurde. Schon zu Lebzeiten hat Jesus sie auf das „Zeichen des Jona“ verwiesen. Der Prophet Jona ging nach Ninive, nachdem er drei Tage und Nächte im Bauch des Fisches war, um die Menschen in dieser großen Stadt zur Umkehr zu bewegen. Darauf verweist der untere Teil des Fensters. So ist auch Jesus in die Welt gekommen, um uns Gottes Liebe nahe zu bringen und uns einzuladen, unser Leben nach ihr auszurichten. Die aufgehende Sonne scheint zuerst durch dieses Fenster und füllt den Kirchraum mit ihrem warmen, gelben Licht.

Jesus mit seinen Jüngern beim Abendmahl und am Ölberg

Das Abendmahlsfenster

lm rechten Fenster sind zwei Geschichten aus dem Neuen Testament zu sehen. In der oben dargestellten Szene von der Heimkehr des Verlorenen Sohnes erstrahlt das Gesicht des Vaters im Gelb der Liebe und der Vergebung, Während der Neid des älteren Sohnes, der dem Vater treu gedient hat, durch ein kräftiges Grün zum Ausdruck kommen. lm Letzten Mahl Jesu mit den Seinen, das darunter dargestellt ist, kommt beides zusammen: das fehlende Vertrauen, das den Jünger Judas dazu treibt, seinen Herrn zu verraten, aber auch die große Vergebung, die Jesus anbietet.

Taufsteine in der Kirche

Im Altarraum vorne rechts steht der Taufstein, gefertigt aus Ruhrsandstein. Zusammen mit dem Altar und der Kanzel wurde das Ensemble 1952 im Rahmen des Wiederaufbaus der Kirche geschaffen. Der als Doppelkreuz gestaltete Griff des Deckels ist ein besonderer Blickfang. Die zwei angedeuteten Wasserwellen am unteren Teil des Griffs finden sich auch im Siegel der Kirchengemeinde Wieder. Die Johanniskirche ist vermutlich als Taufkirche gegründet worden und trägt den Namen Johannes des Täufers. Johannes taufte die Menschen als Zeichen für das Abwaschen von Schuld, um dann ein Leben nach Gottes Geboten zu leben.

 
In der Johanniskirche steht der Taufstein aus der 1945 zerstörten Wittener Gedächtniskirche.
 

Ein zweiter Taufstein befindet sich unter der Empore gegenüber der Lichtstelle. Der neugotische Taufstein aus der zerstörten Gedächtniskirche steht im Kontrast zum sonst schlichten Stil der Kirche. Die 2011 von der Dortmunder Künstlerin Monika Ihl gefertigte, moderne Glasschale verleiht dem Taufstein mit ihren Formen und Farben einen neuen Akzent. Die Farben Blau und Gold, sowie die raue, sandgestrahlte Furche laden zu eigenen Gedanken ein. Besonders schön leuchtet die Schale, wenn sie mit Wasser gefüllt wird.

Historische Grabsteine in der Kirche

Unter der Empore stehen heute vier Grabsteine. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde auf dem Friedhof um die Kirche beerdigt. Die Herrschenden in Witten aber hatten das Recht, innen beigesetzt zu werden. Entsprechend gab es dort Totenschilde, Grabsteine und Erinnerungsmale.

Die Johanniskirche war deshalb immer auch ein Grenzort. Leben und Tod trafen aufeinander. Hier waren Zeit und Endlichkeit sichtbar. Der letzte Krieg hat fast alle Erinnerungszeichen zerstört. Die zufällig erhaltenen Steine stehen nun für unterschiedliche Gruppen: zwei für damals herrschende, sich bekämpfende Familien (siehe unten: "Zur Geschichte des Hauses Hardenstein"); einer für den ersten evangelischen Pfarrer der Gemeinde und einer für eine verwitwete Bäuerin.

 

  • Reinhard von Brempt zu Berge, gestorben 1572
  • Johann Ludwig von Hoete, Herr zu Crengeldanz, 17. Jahrhundert
  • Heinrich Heitmann, erster luth. Pfarrer, gestorben 1602
  • Anna Maria Ruhrmann, gestorben 1731 (nur die rechte Steinhälfte erhalten). Dieser Stein stand ursprünglich auf dem Kirchhof.
 
Stark verwittert: Der Grabstein des ersten lutherischen Pastors der Gemeinde, Heinrich Heitmann, ist in der Johanniskirche angebracht.
 

1576 stürmten Söhne dreier Adelsfamilien in dem Gotteshaus aufeinander los.
Später stieß der letzte altkirchliche Pastor auf Kritik der Dorfbewohner.

 

Die Evangelische Kirche feierte am 31. Oktober 2017 die 500. Wiederkehr der Reformation. Die Wittener Protestanten können genau genommen erst 2082 den Übertritt zum Luthertum feiern: Das Dorf Witten konvertierte Ende des 16. Jahrhunderts zur neuen Konfession – 65 Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg. Wie es dazu kam, ist in verschiedenen heimatkundlichen Büchern nachzulesen, etwa in „Die Johanniskirche in Witten“ von Bruno J. Sobotka aus dem Jahr 1989. Danach hat der evangelische Pfarrer Johannes Fabrizius aus Langendreer das erste „protestantische Gedankengut“ ab 1557 in Witten verbreitet. Der katholische Wittener Ortspfarrer Heinrich Heitmann „wechselte vermutlich schon vor 1575 zum evangelischen Glauben“, heiratete Katharina Schlettmann dann 1582. Am 1. Januar 1576 kam es in der Johanniskirche zu einer spektakulären Situation, die Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer in seinem 2012 erschienenen Buch „Witten – Geschichte von Dorf, Stadt und Vororten“ beschreibt: Während Pastor Heitmann von der Kanzel noch das Evangelium verlas, machte sich der katholische Pater Johann Kohleppel in vollem Ornat in der Sakristei für seine Einführung als neuer Vikar bereit. In der Kirche hatten sich jedoch drei konkurrierende Adelsfamilien eingefunden, die das Patronatsrecht in Witten besaßen und das „Kirchenpersonal“ und dessen Bezahlung bestimmen konnten. Als Kohleppel in den Kirchraum trat, stürmten die Söhne der drei Parteien „mit Knüppeln, Degen und Flinten hervor und es entstand teils in der Kirche, teils vor der Kirche eine wilde Schlägerei“, so Schoppmeyer. „Die Dorfbewohner stürzten aus Angst vor Schießereien nach allen Seiten aus der Kirche.“ Danach stieß Heitmann – der letzte altkirchliche und erste lutherische Pastor – „mit seiner Lebensführung bald auf die Kritik der Dorfbewohner“. Mit der Tochter des Bauern Nölken, seiner Haushälterin, hatte er (als Katholik) ein Kind gezeugt. Dennoch heiratete er (als Protestant) 1582 eine andere: Katharina Schlettmann. Damit war Witten endgültig evangelisch geworden. Und Bauer Nölken verklagte Heitmann dann wegen Entehrung seiner Tochter. Insgesamt sind die Berichte und Quellen zur Reformation in Witten recht dürftig. Klar ist, dass es sich dabei um Herrschaftsteilungen und -wechsel des regionalen Adels handelte. Der Konfessionswechsel geschah nicht etwa aus Frömmigkeit, sondern aus politischen und finanziellen Gründen. Es ging also auch um die Zugehörigkeiten der Bauern im Dorf Witten, um Pfründe der Kirche und die Vorteile des Adels. Abspaltungen und Teilungen bei den Herrschaftsfamilien führten laut Schoppmeyer „im Endeffekt zu einem weitgehenden Wirrwarr“, der nur fragmentarisch überliefert ist – und die eigentliche, religiöse Reformation über Jahre begleitete.

 

Quelle: WAZ Witten, 31. Oktober 2017

Zur Geschichte des Hauses Hardenstein

Die Errichtung der Burg Hardenstein in der Mitte des 14. Jahrhunderts hängt offensichtlich mit dem sozialen und wirtschaftlichen Niedergang der bergischen Adelsfamilie von Hardenberg zusammen. Im Jahre 1354 gab Heinrich (II.) von Hardenberg seinen Stammsitz nördlich von Neviges auf und ließ sich mit seiner Familie am südlichen Ufer der Ruhr zwischen Herbede und Witten nieder. Nach dem wohl aufgrund von finanziellen Nöten unvermeidlich gewordenen Verkauf des größten Teils ihrer Ländereien im Bergischen war den Hardenbergern zum Zeitpunkt des Ortswechsels vom ehemals nicht unbeträchtlichen Besitz nur noch ein vergleichbar geringer Rest an Land und davon abhängigen Höfen geblieben. Es handelte sich dabei um einige überwiegend in Vormholz und Heven gelegene Höfe und Kotten, mit denen die Familie durch die Abtei Werden, die Grafen von Volmarstein und die Grafen von der Mark belehnt war. Im Bergischen behielten sie darüber hinaus von ehemals über Hundert Höfen nur die Grundherrschaft Bonsfeld mit 16 Höfen, ebenfalls ein Lehen der Grafen von der Mark. Die Abgaben der abhängigen Höfe bildeten die Haupteinnahmequelle des Adelsguts Hardenstein. Darüber hinaus konnten aus bestimmten Vorrechten wie dem Mühlen-, Jagd-, Forst-, Hude- und Fischereirecht sowie dem Holzgericht Gewinne gezogen werden. Hinzuzufügen sind außerdem die Einkünfte aus dem Zehnten von Heven, der durch das Kloster Werden verliehen worden war und mit dem Hevener Brockmannshof zusammenhing. Gut 100 Jahre nach der Übersiedlung der Familie von Hardenberg ging das "borchus to dem Hardensteyne" mit seinen Ländereien und Rechten an die Familie Stael von Holstein über. Robert Stael von Holstein hatte im Jahre 1439 Christine, die Tochter des letzten Hardenbergers, Heinrich (V.), geheiratet. Nach Roberts Tod im Jahre 1462 wurden die Güter unter dessen vier Söhnen, Luther, Robert, Neveling und Heinrich, zu ungefähr gleichen Teilen aufgeteilt.

Der Teilungsvertrag von 1462 vermittelt ein anschauliches Bild der Burganlage zu dieser Zeit. Neben die ursprüngliche Burg, das "nederste huyss" an der Ruhr mit der Vorburg, dem Bergfried, Stallungen und Wirtschaftsgebäuden, war inzwischen ein zweites größeres Gebäude, das zweitürmige "averste nyhe huys", gesetzt worden, das ebenfalls eine Vorburg mit Wirtschaftsgebäuden besaß. Zur Gesamtanlage gehörten zu dieser Zeit überdies ein Gefängnis und eine Kapelle sowie eine Korn- und eine Ölmühle. Neben den verschiedenen Sälen, Kammern, Küchen etc. wird als besonderer Raum die "harnkamer", später, 1525, "harden chamer" genannt, erwähnt.

Der Ausbau der Burganlage zeigt, dass die Besitzer Hardensteins im 15. Jahrhundert wieder zu einigem Wohlstand gekommen waren. Heinrich Stael von Holstein, der 1462 ein Viertel des Gutes erbte, trat u.a. als Geldgeber der Herzöge von Kleve-Mark auf. Zur Zeit der Familie Stael von Holstein wurde überdies 1474 die Vikarie St. Johannis Baptistae in der Kirche zu Herbede gestiftet. Das Recht zur Einsetzung eines Vikars blieb bis ins 19. Jahrhundert beim Haus Hardenstein. Durch geschickte Heiratspolitik gelang es einigen Angehörigen der Familie im 15. Jahrhundert, in die benachbarten Adelsfamilien von Witten und von Steinhausen einzuheiraten und damit der ungünstigen Randlage Hardensteins zu entrinnen: 1481 gewann der Enkel Roberts Stael von Holstein, Dietrich, die Hand der Erbtochter Rötgers von Witten, Katharina. Roberts Sohn Luther hatte bereits 1455 Jutta von Witten geheiratet und war auf diesem Wege Herr zu Steinhausen geworden.

Die Praxis der Güterteilungen im Erbfall wurde in der folgenden Generation fortgesetzt. Eine völlige Zersplitterung des Besitzes wurde erst mit dem Einheiraten des Heinrich von Brempt in die Familie aufgehalten. Nach seiner Eheschließung mit Beatrix von Stael trat er 1510 das Erbe an und konsolidierte den Besitz durch Wiederankäufe und dem Tausch von Ländereien bis 1530.

 

Nach dem frühen Ableben ihres ältesten Sohnes überschrieben Heinrich von Brempt und Beatrix von Stael Haus Hardenstein 1536 ihrem Sohn Reinhard, der auch Haus Berge erben sollte. Zahlreiche Verkäufe und Schuldverschreibungen, die Reinhard durchführen musste, dokumentieren, dass der Besitz in seiner Zeit erneut in einen äußerst bedenklichen wirtschaftlichen Zustand geraten war. Bedrängt durch Johann Ludwig von Hoete, Herr zu Crengeldanz, der auch Besitzansprüche auf Anteile an der Gerichtsherrschaft Witten anmeldete, musste Reinhard 1567 sogar dessen Lehnshoheit über Haus Hardenstein anerkennen.

 

Die Güter Berge und Hardenstein wurden nach Reinhard von Brempts Tod im Jahr 1573 wieder getrennt. Sein ältester Sohn Wennemar erbte Haus Berge zu Witten, der jüngere, Heinrich, Haus Hardenstein. Heinrich heiratete 1578 Margarete von Hagedorn, die ab 1587 als Witwe allein die Verwaltung des Gutes übernahm. Bedrückt von einer großen Schuldenlast, konnte auch sie nicht umhin, weitere Besitzanteile zu verkaufen. Von Johann Friedrich von Stammheim, Schwiegersohn und Nachfolger des Johann von Hoete auf Haus Crengeldanz, wurde sie darüber hinaus wie vor ihr Reinhard von Brempt genötigt, 1588 das Gut Hardenstein als Crengeldanzer Lehnsgut anzuerkennen. Von Stammheims Erben verfolgten diesen Anspruch jedoch nicht weiter. Die Crengeldanzer "Lehnsherrschaft" über Haus Hardenstein stellte nur ein Intermezzo seiner Geschichte dar.

Mit dem Tod der Margarete von Hagedorn endete die Phase, in der die Besitzer des Hauses auf Hardenstein wohnten. Ab 1629 wurde die Burganlage verpachtet. Die Ehe Heinrichs von Brempt mit Margarete von Hagedorn war ohne männliche Erben geblieben. Die einzige Tochter, Elisabeth, hatte 1603 Melchior von Laer geheiratet. Aus dieser Ehe gingen neun Kinder hervor, wodurch nach Melchiors Tod 1643 wiederum eine komplizierte Erbscheidung nötig wurde. Erbe des Gutes Hardenstein wurde Luther Heinrich von Laer, ein nachgeborener Sohn Melchiors und Elisabeths, der durch die Ehe mit der offensichtlich nicht unvermögenden Lucretia Johanna von Hofen endlich in die Lage versetzt wurde, eine ganze Reihe von älteren Schuldverschreibungen abzulösen. Auch Lucretia Johanna von Hofen führte nach dem Tode ihres Mannes im Jahre 1672 noch über fast zehn Jahre die Geschäfte des Hauses Hardenstein, zum Teil allein, zum Teil gemeinsam mit ihrem jüngeren Sohn Melchior, der schließlich das Gut erbte. Da Melchior 1686 kinderlos starb, fiel der Besitz zersplittert an seine Neffen und Nichten.

Zwar wurden in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts die Anteile unter Johann Henriette von Keppel, verwitwete von Laer, wieder zusammengetragen, um sie als Ganzes ihrem Neffen Alexander von Spaen zu vererben. Haus Hardenstein sollte dennoch nicht mehr als Adelssitz genutzt werden und verfiel. Alexander von Spaens Schwiegertochter, Agnes Jakoba, Gräfin von Nassau, verkaufte 1787 den Besitz an den Freiherrn Guilbert von Boenen zu Löringhof. Anschließend gelangte das Gut in den Besitz des Grafen Max Friedrich von Westerholt-Gysenberg zu Oberhausen, der zwar verschiedene Pläne entwickelte, die Ruine Hardenstein wieder bewohnbar zu machen. Dieses Vorhaben gelangte jedoch ebenso wenig zur Durchführung wie das Projekt des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark aus dem Jahre 1893, die Ruine Hardenstein über den Architekten G.A. Fischer aus Barmen, Restaurator des Hauses Burg an der Wupper, rekonstruieren zu lassen.

Im 19. Jahrhundert verlor der Besitz Hardenstein endgültig seine ursprüngliche Bedeutung als Rittergut. Auch die grundherrlichen Rechte wurden abgelöst. Wichtiger wurden nun die mit dem Grundeigentum verbundenen Möglichkeiten zur Forstwirtschaft und nicht zuletzt die mit dem aufblühenden Bergbau verknüpften Einnahmen. Unter anderem wurde das Burggelände, in dessen unmittelbarer Nähe bereits 1525 Steinkohle gefunden werden konnte, als Kohlendepot genutzt. 

Bis 1902 blieb Haus Hardenstein im Besitz der Familie von Westerholt, dann wurde es an die Fabrikantenfamilie Dünkelberg auf Steinhausen verkauft. Dieses Datum markiert auch den Endpunkt der Akten- und Urkundenüberlieferung des Bestandes Hardenstein im Archiv des Vereins für Orts- und Heimatkunde der Grafschaft Mark.

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