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Kirchbau: Findling, Granitquader und Backstein

Geologie, Topographie, Klima und Geschichte sind die Grundlagen, aus denen die Kulturlandschaften in Deutschland hervorgegangen sind. Besonders deutlich wird dies in den Küstengebieten der Nordsee, wo das Meer und die Stürme als Naturgewalten bis heute am stärksten wirken. Das Meer, mit seinen Sturmfluten Feind und Freund zugleich, überflutete die Marschen, bevor der Mensch es mit dem Deichbau zurückdrängte, brachte jedoch fruchtbare Sinkstoffe mit, aus denen die fetten Marschböden entstanden. Mensch und Tier schützte man in Friesland schon in vorgeschichtlicher Zeit durch die Anlage von Warfen, künstlich aufgeworfenen Hügeln, die über die Hochwassergrenze ragten und so Schutz boten. Die ersten christlichen Kirchen des 8. Jahrhunderts bestanden hier aus Holz, wie Grabungen nachgewiesen haben. Später wurden Holzkirchen durch massivere und festere Feldsteinbauwerke abgelöst.

 

Die frühesten bekannten Kirchen aus Findlingen gehören dem 9. Jahrhundert an und liegen in Holstein. Feldsteinbauwerke sind Bauwerke aus Steinen, die entweder vom Boden aufgelesen oder aus geringer Tiefe gehoben wurden, nicht aber in Steinbrüchen gebrochen wurden oder auch nicht aus anstehendem Gestein ausgewittert sind. Neben dem Bau aus unbehauenen Feldsteinen entwickelte sich dann im Laufe des 12. Jahrhunderts in Jütland und im Landesteil Schleswig der Granitquaderbau. So sind auch die einschiffigen Granitquaderkirchen (oft mit eingezogenem Chor, reichen Profilen und Apsisgliederungen) der Landschaft Angeln zu datieren. (Angeln=deutsche Halbinsel in der Ostsee auf der Kimbrischen Halbinsel.) Auch in Nordfriesland, auf dem Festland wie auf den Inseln (z. B. Kirche in Nieblum auf Föhr, erbaut im 12. Jahrhundert und Mitte des 13. Jahrhunderts mit Backsteinen neu aufgeführt), sind sog. Granitquaderkirchen anzutreffen, die in der Steinbearbeitung denen Jütlands und Angelns nahestehen, im Grundriss (langgestrecktes Rechteck mit halbrunder Apsis) denen in Ostfriesland ähneln. Die Datierungen bleiben weitgehend offen, 1240 waren die Föhrer Bauten vorhanden.

 

Das Behauen der Felsblöcke erforderte enorme Anstrengung und vorzügliches Werkzeug. Das Mauerwerk aus Granitquadern ist von besonderer Schönheit durch den Maßstab der rechteckig zugehauenen Blöcke, die im Durchschnitt 60 Zentimeter hoch und bis zu 80 Zentimeter, teilweise sogar bis zu 125 Zentimeter breit sind. Zur eindrucksvollen Größe kommt das wechselnde Farbspiel von rötlichen, violetten und grauen Tönen. Gegen Ende des Jahrhunderts setzte sich ein neuer Baustoff durch, der Backstein. Die Fähigkeit, Ton zu Ziegeln zu brennen, ist Jahrtausende alt. Bemerkenswert ist, dass sich im 12. Jahrhundert ein einheitliches Format dieses Formsteins etablierte, das jede Ziegelei landauf, landab übernahm: das sogenannte Klosterformat. Für den mittelalterlichen Baubetrieb stellte das einen enormen Fortschritt dar. Bereits in Feldstein- oder Quaderbauweise begonnene Kirchen wurden nun mit Ziegeln vollendet, erweitert oder ausgebessert. Insbesondere die Herstellung konstruktiv schwieriger Teile, wie Fenster- und Türbögen, wurde durch die Backsteinbauweise erleichtert. 

 

Betrachten wir hier die 3 Kirchen der Insel Föhr und deren Bauweise:

St. Laurentii in Süderende

 

St. Laurentii Kirche ist eine evangelisch-lutherische Pfarrkirche in Süderende auf der nordfriesischen Insel Föhr. In einem Kirchenverzeichnis aus dem Jahre 1240 wurde die St. Laurentii auf Föhr erstmals urkundlich erwähnt. Die Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals umgebaut bzw. erweitert. Das erste Kirchenhaus entstand wahrscheinlich gegen Ende des 12. Jahrhunderts als ein spätromanischer Granitquaderbau, welche auch heute noch im Mauerwerk sichtbar sind. Das einstige Kirchenhaus bestand aus einem rechteckigen turmlosen Kirchenschiff.

 

Das erste Kirchenhaus hatte damals in Höhe und Breite etwa ein Drittel der Ausmaße des heutigen Langhauses. Zur Ostseite schlossen sich vermutlich ein quadratischer oder rechteckiger Chor sowie eine Halbkreisapsis an. St. Laurentii war vom Baustil her, eine der auf der kimbrischen Halbinsel verbreiteten romanischen Granitquaderkirchen gleich. (Die Kimbrische Halbinsel bzw. Jütische Halbinsel, ist eine Halbinsel zwischen Ostsee und Nordsee, die sich von der Elbmündung im Süden über eine Länge von ca. 450 km bis Grenen in Vendsyssel im Norden erstreckt. Sie umfasst Jütland, den kontinentaleuropäischen Teil Dänemarks, den Großteil des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein und den nördlich der Elbe gelegenen Teil Hamburgs.) Das Kirchenhaus war anscheinend die einzige nordfriesische Kirche, die bis zur Dachtraufe aus Granit gebaut wurde. Andere Kirchen in der Region wurden oft als Granitquaderbau begonnen, aber dann aus Ziegel oder Tuffstein vollendet.

 

St. Laurentii hatte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine umfangreiche Erweiterung bekommen. Zu dieser Zeit wurde in Nordfriesland der Granitquaderbau durch die Backsteinbauweise abgelöst. Um das Kirchenhaus in späterer Zeit um ca. neun Meter zu verlängern, wurde die Westwand St. Laurentii Kirche entfernt. Die Granitquader der Wand wurden dann beim Bau der hauptsächlich aus Backstein bestehenden Kirchenerweiterung erneut verwendet. Die zugespitzten Fenster in den neuen Mauern der Kirche weisen schon ein Merkmal der Spätromanik auf.

 

Noch im 13. Jahrhundert wurde eine zweite Erweiterung des Kirchenhauses vorgenommen. Statt eines vollständigen Querschiffs, wie z.B. bei der St. Johannis-Kirche in Nieblum auf Föhr, wurde nach der Neugestaltung des Chors ein quadratisches Norderquerhaus errichtet und die Fenster des erweiterten Altarraumes sind in zugespitzter gotischer Bauweise. Wie bei der Westerweiterung und der Erneuerung der Apsis wurden auch bei der Norderweiterung die übrigen alten Granitquader verwendet. Zur Errichtung des Norderquerhauses und der spätgotischen Sakristei bediente man sich des Weiteren an den Mauerresten der ersten Apsis.

 

Die ursprünglichen Außenschalen aller drei Kirchen auf Föhr wurden durch das salzhaltige Klima an der Nordseeküste stark geschädigt und sind fast vollständig erneuert worden. Eine 1771 mit kleinformatigen Ziegeln durch-geführte Verblendung war 1964 so schadhaft, dass die Außenschale der West-, Süd-, und Ostseite durch maschinell produzierte Ziegeln erneuert werden musste.

Im mittleren Bild ist ein Ausschnitt der Nordseite des Langhauses  mit dem Bogen des ursprünglichen, heute zugemauerten Eingangs und einem zugemauertem romanischen Fensterbogen links darüber  zu sehen. Das zweite Fenster daneben stammt aus der Frühgotik.

St. Johannis in Nieblum

Die Johannes dem Täufer gewidmete Kirche ist auf Grund ihrer Größe, reichen Verzierung und Ausstattung das bedeutendste Gotteshaus auf Föhr und wird deshalb gern "Friesendom" genannt. Auf den Mauern eines romanischen Vorgängerbaus, der im späten 12. Jahrhundert aus Granitquadern und Tuffstein errichtet worden war und von dem noch Reste im Langhaus und an den Chorwänden zu finden sind, entstand im 13. Jahrhundert die heutige, größere Kirche. Die Kirche bezeugt somit viele Bauepochen, angefangen bei der Spätromanik und in Umbauten bis in den Barock. Die Mauern selbst entstanden im Wesentlichen zwischen dem späten 12. und 14. Jahrhundert. Vom Gründungsbau erhalten sind vor allem die unteren zwei Drittel der Nord- und Westwand. Die Formen des Chores sind spätromanisch mit steigendem Rundbogen- und Treppenfries. Die gotische Sakristei im Norden zeigt noch geometrisch ausgemalte Kreuzrippengewölbe. Das Langhaus wurde nach einer Bauunterbrechung in frühgotischen Formen errichtet. Es erstreckt sich unter einer hohen Holzbalkendecke, die im 13. Jahrhundert vollendet wurde. Der quadratische Westturm stammt ebenfalls aus der Frühgotik und ist im Gegensatz zu anderen Kirchen der Gegend reich verziert, mit Ecklisenen, Spitzbogenfries und Blendbögen. Die Kirchenausstattung spiegelt ebenso die Baugeschichte des Gebäudes von der Romanik bis ins 19. Jahrhundert wieder.

St. Nicolai in Boldixum

 

Wyks Kirche steht im Ortsteil Boldixum. Die Kirche St. Nicolai ist nach den beiden anderen mittelalterlichen Kirchen auf Föhr, der St.-Johannis-Kirche in Nieblum und der Kirche St. Laurentii in Süderende, der jüngste Kirchenbau. Er wurde im Jahre 1240 nach Christus zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Vorher war das Gebiet, zu dem die Orte Boldixum und Wrixum gehörten und zu dem ab ca. 1601 auch Wyk auf Föhr kam, von Nieblum aus betreut worden. Im Jahre 1509 wurde St. Nicolai als eigenständige Pfarrkirche urkundlich bestätigt. Die ersten Teile des eindrucksvollen Ziegelsteinbaus St. Nicolai stammen aus der Spätromanik.

 

Der mittelalterliche Bau der Kirche ist durch einen hohen Turm, ein langgestrecktes Kirchenschiff, den abgesetzten quadratischen Chor und eine niedrige Apsis gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den anderen Kirchen sind alle Bauteile aus Backstein gefertigt (Mauerwerksbau mit Bleiplatteneindeckung). Der Turm und die seitlichen Anbauten (wie etwa die Windfänge aus dem 19. Jahrhundert) gehörten nicht zur ursprünglichen Ausstattung. Der Gesamtkomplex betrug jedoch – wie heute – bereits volle 38 Meter Länge. Die Apsis besitzt noch die für die Romanik typischen Rundbogenfenster, während die Fenster des Chores und des Langhauses bereits zugespitzt sind, womit sich der Übergang zur Gotik ankündigt.

 

Die Fenster auf der Südseite des Baues wurden in späterer Zeit geändert, um mehr Tageslicht in die Kirche zu lassen. Zwei Eingänge für die Gottesdienstbesucher sind einander gegenüber angeordnet: Das Portal an der Südseite war den Männern, das in der Nordseite den Frauen vorbehalten. Der die ebene Landschaft überragende Turm wurde im 15. Jahrhundert angefügt und mit einem Satteldach gekrönt. Das Mauerwerk des Turms ist ungegliedert und schmucklos, es ist im Laufe der Jahrhunderte mehrfach ausgebessert und durch Eisenanker stabilisiert worden. 1930 wurde die Westseite des Turms, die dem rauen Nordsee-Wetter besonders ausgesetzt ist, neu verblendet. Im späten Mittelalter wurde ein Vorhaus vor den Eingang südlich des Chores gesetzt. Das Haus wurde ursprünglich zur Aufbahrung von Leichen genutzt und dient heute als Sakristei. Auf der Nordseite des Baues wurde um 1700 ein Seitenschiff angesetzt, um die rasch anwachsende Zahl von Gemeindemitgliedern aufnehmen zu können. Ungeachtet der schmucklosen, für die Barockzeit untypisch schlichten Ausführung des Anbaues musste die Gemeinde jahrelang die Baukosten abtragen. Das Tonnengewölbe des Nordanbaus ist eine Holzkonstruktion.

Weitere Informationen zu den 3 Inselkirchen finden Sie in den ► Untermenüs.

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